Der Professor - Wie ich Schwedens erfolgreichster Profiler wurde
ich gute Laune. Arne Ruth ist gerade Feuilletonchef geworden, ein freundlicher und gebildeter Herr, der sich fast nie an seinem Arbeitsplatz aufhält. In diesem Sommer befindet er sich in Westdeutschland, um Intellektuelle zu treffen. Manchmal ruft er an, um zu hören, wie es uns geht. Uns geht’s immer gut.
An seiner Stelle kümmert sich Christel Persson um alles Praktische. Sie ist die Chefin, zwar nicht formal, aber de facto. Sie sorgt dafür, dass wir jeden Tag eine Doppelseite zusammenbekommen, obwohl mir nie so recht klar wird, was wir, die wir in der Redaktion arbeiten, eigentlich tun, einmal abgesehen davon, dass wir uns unterhalten, Bücher lesen, ins Kino gehen und Musik hören.
Camilla Lundberg schreibt über Musik. Außerdem ist sie, was heikle Aufträge und Personen angeht, der fähigste field agent der Redaktion. Als ein schlauer Kopf die Idee hat, den Poeten Lars Forssell als Sportreporter zur Olympiade nach Moskau zu schicken, muss Camilla mitfahren, um dafür zu sorgen, dass er es auch wieder nach Hause schafft.
Das gelingt auch, und nach nur einer Woche in der normalen schwedischen Entziehungsanstalt ist er wieder genau wie immer. Worüber er schrieb, während er bei diesen Russen noch einen Stift halten konnte, ist hingegen unklar. Ob es Diskuswerfen, Boxen oder Fünfkampf war, tut nichts zur Sache, aber ich erinnere mich noch an seinen Text und an die Einsichten, die dahintersteckten, und bei der Feuilletonredaktion, bei der ich arbeite, kümmert man sich wenig um menschliche Leistungen, die sich in Metern oder Minuten messen lassen oder auch nur in blutigen Nasen. Dort leben wir für die großen und ewigen Fragen.
Björn Nilsson ist derjenige unter uns, der am längsten dabei ist, und er hat eigentlich nur zwei Probleme mit der Welt, die ihn umgibt. Björn schreibt über Bücher, und sobald er sich in eines, das er gelesen hat, verliebt hat, ergreift ihn eine vollkommen hemmungslose und leidenschaftliche Begeisterung – er ist verzaubert, hätte Camilla gesagt –, und dann schreibt er Rezensionen, die weitaus besser und wohlformulierter sind als das Buch, von dem sie handeln.
Dann ist da noch diese ständige Geschichte mit seinem ehemaligen besten Freund, dem Schriftsteller Lars Gustafsson. Einmal in der Woche ruft Gustafsson an, um Björn auszuschimpfen. Dann wird Björn traurig. Wir anderen rächen uns an Gustafsson, indem wir die Zeichensetzung in dem Artikel, den er gerade geliefert hat, ändern. Anschließend rastet Gustafsson aus und ruft Bosse Strömstedt an, um dafür zu sorgen, dass er uns feuert. Bosse ist gerade erst Chef der ganzen Zeitung geworden und hat weder Zeit für deutsche Intellektuelle noch dafür, normalerweise zuverlässig arbeitende Mitarbeiter zu entlassen.
Stattdessen redet er freundlich mit uns. Erklärt, dass Gustafsson zwar ein einzigartig anstrengender Zeitgenosse sein könne, dass er aber auch ein großartiger Schriftsteller sei. Dann nickt er freundlich und kehrt in sein Büro zurück, setzt sich an sein Harmonium und spielt alte freikirchliche Lieder. Auf diese Weise tröstet er sich und spielt uns durch die geschlossene Tür das Lied von der Stadt über den Wolken vor. Dieser Arbeitsplatz gleicht in keiner Weise dem Polizeipräsidium, aus dem ich erst vor zwei Jahren relegiert wurde.
Klas Östergren, Mårten Blomkvist und ich sind die Sommervertretungen. Mårten ist zwar noch ein Kind, aber er weiß alles über Filme, und außerdem ist er mit Bosse Widerbergs Tochter zusammen. Derselbe Widerberg, der mir versprochen hat, aus meinem Roman »Grisfesten« einen Film zu machen. Wir sind wie eine kleine Familie, und ich habe bereits eine Spezialaufgabe erhalten.
Da ich nicht nur ein bekannter Autor und Kulturschaffender, sondern auch Dr. phil. der Stockholmer Universität bin, biete ich Björn an, die heiklen Absagen zu schreiben. Dann bleibt es Bo Strömstedt erspart, den verletzten Schöngeistern stundenlang am Telefon zu erklären, warum er uns nicht feuert, obwohl wir ihnen so übel mitgespielt haben.
Ich schreibe die Absagen auf eine Art, die unserem Botschafter in Berlin zu Beginn des großen Krieges alle Ehre gemacht hätte, und unterzeichne natürlich immer mit freundlichen Grüßen und meinem vollen Titel: Dr. phil. Leif G. W. Persson, Expressen -Feuilletonredaktion.
Björn ist stolz und froh. Die Person, die diese Aufgabe bei Dagens Nyheter innehat, ist nur ein schlichter Magister Artium. Björn scheint ein kompliziertes Verhältnis zu Dagens
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