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Der Professor - Wie ich Schwedens erfolgreichster Profiler wurde

Der Professor - Wie ich Schwedens erfolgreichster Profiler wurde

Titel: Der Professor - Wie ich Schwedens erfolgreichster Profiler wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif GW Persson
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weigert, nach Stockholm zu ziehen. Ich kaufe eine weitere Villa in der Göteborger Entsprechung Djursholms, ich bekomme meine dritte Tochter, wir heiraten, und ich sehne mich die ganze Zeit zurück nach Stockholm. Ich habe nichts Vernünftiges zu tun, aber alle Zeit der Welt, mit meiner neuen Frau zu streiten und in die Rolle des geistig abwesenden Vaters meinem jüngsten Kind gegenüber zu schlüpfen.
    So viel zu meinem privaten Leben vom Ende der siebziger bis zum Anfang der achtziger Jahre.
    Im selben Zeitraum stelle ich meine Doktorarbeit fertig. Ich werde sehr gelobt, werde Dozent, und an meiner akademischen Karriere gibt es nichts auszusetzen. Die Professur ist nur eine Frage der Zeit, und ich selbst löse diese Angelegenheit, indem ich an der Universität aufhöre und nie mehr zurückkehre. Zu diesem Zeitpunkt ist es mir auch verleidet, erfolgreiche Romane zu schreiben. Ich will anderes schreiben, was auch immer, bloß keine Romane. Am liebsten will ich aber mit allen Schriftstellern und Schauspielern, die ich gerade kennengelernt habe, in der Kneipe sitzen. Zwanzig Jahre lang schreibe ich keine Romane, und jedes Mal, wenn ich gefragt werde, versteht sich meine Antwort von selbst. Kein richtiger Pianist will ein automatisches Klavier bedienen. Weil das viel zu leicht wäre.
    Die Wahrheit ist natürlich sehr einfach. Romane zu schreiben ist eine sehr einsame, sehr schwierige, entblößende Tätigkeit. Es macht viel mehr Spaß, in einem Lokal zu sitzen. Zu essen, zu trinken, neue Frauen zu treffen und mit allen anderen Künstlern Umgang zu pflegen. So weit mein Auge reicht, keine bleichen, pickligen Akademiker, und Reue und Zukunftsängste verdränge ich einfach. Ich befreie mich ganz einfach von allen meinen Problemen, indem ich ganz einfach von vorne anfange.
    Ungefähr gleichzeitig fragt die Regierungskanzlei an, ob ich für sie arbeiten will. Das ist vollkommen unbegreiflich. Nicht einmal Jaroslav Hašek wäre auf diese Idee gekommen. Wir haben eine neue Regierung. Olof Palme ist wieder Ministerpräsident. Die Regierung setzt eine Kommission ein, die sich mit der Wirtschaftskriminalität befassen soll. Vier Jahre nach der Geijer-Affäre werde ich gefragt, ob ich Sekretär dieser Kommission werden, mich um die Beantwortung anfallender Fragen kümmern und den Abschlussbericht schreiben will. Nicht einmal Hašek hätte den tapferen Soldaten Schwejk einem solchen Angebot ausgesetzt.
    Ich verstehe überhaupt nichts. Ist Palme und seiner ganzen Regierung das Kurzzeitgedächtnis abhandengekommen? Natürlich willige ich ein. Ich beginne meine Karriere im Kanslihuset und werde Sachverständiger von insgesamt drei Justizministern, ehe ich Anfang der neunziger Jahre zum Professor an der Reichspolizeibehörde ernannt werde und in das Polizeipräsidium zurückkehren kann, aus dem man mich fünfzehn Jahre zuvor gefeuert hat. Dass Schweden möglicherweise eine Demokratie ist, in der »die Macht von einer repressiven Toleranz geprägt wird«, interessiert nicht, da diese Macht ihr Gedächtnis verloren zu haben scheint.
    Die Jahre verstreichen, alles geht seinen Gang, und ich widme mich dem schrumpfenden Anteil, der mit meiner Arbeit zu tun hat, und meinen immer zahlreicheren privaten Geschäften. Ich investiere in alles Erdenkliche, was nur halbwegs lohnend erscheint und Spaß verspricht. Natürlich nur, wenn ich nicht gerade in einem Restaurant sitze, Frauen kennenlerne und mit meinen Freunden einige Flaschen leere. Das Ganze ist wie gesagt etwas durcheinander.
    Rein sachlich ist es auch vollkommen unbegreiflich. Und das Einzige, was für irgendeine Form von Rationalität meinerseits spricht und zugleich für einen moralischen Standpunkt in Bezug auf mein Leben, ist der Umstand, dass ich mich von meiner zweiten Frau habe scheiden lassen und zurück nach Stockholm gezogen bin. Ein wichtiger Grund dafür war sicher auch, dass ich keinen so langen Weg in die Operabaren wollte und dass ich einige Jahre zuvor einen neuen besten Freund kennengelernt hatte.
    Zum ersten Mal begegneten wir uns im Übrigen in einem Restaurant, und zwar um verschiedene Geschäfte zu diskutieren, die für uns beide von Interesse waren. Worum es im Einzelnen ging, habe ich vergessen, aber ich erinnere mich, dass wir den Abend in der Operabaren ausklingen ließen. Dort verbringen wir in den folgenden fünfzehn Jahren etliche Tausend Stunden, bis mich meine selbstverschuldeten Krankheiten zu Boden werfen und mir ein Leben vorschreiben, zu dem nur der Tod

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