Der Professor - Wie ich Schwedens erfolgreichster Profiler wurde
tatsächlicher Anstieg der Straftaten sei. Dieser Meinung ist man nicht im Ministerium, und auch das ist nicht ganz unerwartet, und ein paar meiner Kollegen an der Universität haben sogar in der Zeitung behauptet, die Polizei fälsche die Statistik, um mehr Gelder zu bekommen.
»Wenn du diese Sache irgendwie ins Lot bringst, dann ist dir meine volle Unterstützung sicher«, sagt Carl Persson, als er mir den Auftrag erteilt.
Das gelingt mir. Bereits nach einem halben Jahr kann ich überzeugende Beweise dafür vorlegen, dass ausnahmsweise alle, egal, welche Meinung sie vertreten, zumindest teilweise recht haben. Etwa vierzig Prozent der Steigerung lassen sich darauf zurückführen, dass die statistische Erfassung nach der Verstaatlichung besser geworden ist.
Anzeigen, die die Polizei bislang nicht erfasst hat, weil die örtlichen Kräfte sie für unbegründet, seltsam oder in jedem Fall unermittelbar hielten, tauchen inzwischen zumindest in der Statistik auf. Die Statistik ist ganz einfach besser geworden, und im Justizministerium hat man nichts dagegen, die Wirklichkeit so zu beschreiben.
Gleichzeitig ist die Zahl vieler Straftaten tatsächlich angestiegen, Raubüberfälle, Körperverletzung und schwere Diebstähle, um nur die Vergehen zu nennen, die am häufigsten in der öffentlichen Debatte Erwähnung finden. Mein neuer Arbeitgeber ist hochzufrieden. Nicht genug damit, dass die Polizei die Anzeigen der Leute nicht mehr verschlampt, man hat es auch mit einer beunruhigenden Entwicklung zu tun, der begegnet werden muss, und daraus ergibt sich natürlich die Forderung nach mehr Ressourcen.
Selbst ich bin zufrieden, was ja leicht geschieht, wenn alle anderen zufrieden sind, ohne dass man die Wirklichkeit verfälschen musste. Mein höchster Chef hat mir am Freitagnachmittag ein Glas Sherry angeboten, damit wir uns nach den Mühen der Woche über Fragen, die uns beide interessieren, unterhalten können.
Die nächste Frage, der ich mich zuwende, hat eine ganz andere kriminalpolitische Sprengkraft als die Verbrechensstatistik. Während meiner Wanderungen durch das Polizeipräsidium und insbesondere beim Besuch der Dezernate für Gewaltverbrechen, Drogendelikte und schwere Diebstähle ist mir aufgefallen, dass in den Ermittlungen immer wieder dieselben Personen auftauchen, manchmal mehrmals pro Woche, weil sie ständig neuer Straftaten verdächtigt werden.
Für die Beamten, die im Präsidium arbeiten, ist das nichts Neues. Das wissen alle Bullen, die diesen Namen verdient haben. Dass eine kleine Anzahl Gesetzesbrecher für fast alle Straftaten verantwortlich ist.
Das ist natürlich auch für mich keine Überraschung. Innerhalb der akademischen Kriminologie ist man sich seit langem im Klaren darüber, dass gewisse Straftäter sehr zum Rückfall neigen. Seit langem bedient man sich auch einer täterorientierten Betrachtungsweise. Teils hat man versucht, Prognosen über die Rückfallgefahr verschiedener Straftätergruppen anzustellen, teils hat man versucht herauszufinden, ob ein Zusammenhang mit dem Strafmaß besteht.
Ich beschließe, die Sache umzudrehen und das Problem aus einer anderen Richtung anzugehen. Ich will die Kriminalität in der Gesellschaft als Summe der Straftaten betrachten. Ich will errechnen, wie groß der Anteil der beharrlichen Rückfalltäter an der gesamten Kriminalität ist. Eine solche Studie hatte es zu jener Zeit noch nie gegeben, und in diesem Zusammenhang tauchen beachtliche statistische Probleme auf.
Die Aufklärungsquote traditioneller Verbrechen, um die es geht, stellt nur einen Bruchteil der angezeigten Straftaten dar. Bei Einbrüchen und anderen schweren Diebstählen liegt die Aufklärungsquote beispielsweise bei fünf Prozent, und es gibt etliche statistische Probleme zu lösen, ehe man die Überzeugung der Polizei, dass es sich immer um den einen Schurken Ville Vessla, wie Ture Sventon die Sache ausgedrückt hätte, handelt, überprüfen kann.
Gleichzeitig müssen immer wiederkehrende Straftäter nicht unbedingt einer einfachen zufälligen Auswahl aller entsprechen, damit die polizeiliche These Bestand hat. Die statistische Auswahl kann bedeutend komplizierter aussehen, und so ist es dann auch, aber hat man die Methodik einmal definiert, dann ist es kein größeres Problem auszurechnen, für welche Anteile der totalen Kriminalität verschiedene Teile der Bevölkerung verantwortlich sind.
Mein Ergebnis läuft der liberalen Kriminalpolitik, die Justizminister Lennart Geijer und die
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