Der Professor - Wie ich Schwedens erfolgreichster Profiler wurde
Mehrzahl meiner akademischen Kollegen propagieren, vollkommen zuwider. Es ist traurigerweise sogar so, dass ich der polizeilichen Vorstellung zustimme, ein und derselbe Verbrecher sei für sämtliche Straftaten verantwortlich, und gelinge es, ihn hinter Gitter zu bringen, so sei das Problem gelöst.
Ganz so schlimm ist es nicht, aber schlimm genug. Bei Beendigung meiner Berechnungen ist es mir gelungen zu beweisen, dass über achtzig Prozent sämtlicher traditioneller schwerer Verbrechen wie Drogendelikte, Raubüberfälle, Gewaltverbrechen, schwere Diebstähle und einfache Betrügereien von einer Gruppe unverbesserlicher Gesetzesbrecher begangen werden, die nur einige Prozent der gesamten männlichen Bevölkerung ausmacht.
Ich erinnere mich noch an die riesige Schlagzeile auf der Leitartikelseite des Svenska Dagbladet nach Veröffentlichung meines Berichts. »Einige wenige klauen alles.« Im Justizministerium fand man das weniger spaßig, aber an meinem eigenen Arbeitsplatz war man der Meinung, dass ich, gäbe es ihn, den Nobelpreis in Kriminologie verdient hätte.
Plötzlich gibt es wahnsinnig viel zu tun, und offenbar bin ich der Einzige, der es tun kann. Das Problem mit den Wiederholungstätern muss näher beleuchtet werden. Die Folgen von Strafmaß, Ausbruch, Hafturlaubsmissbrauch müssen mit Zahlen belegt werden, damit die Übeltäter möglichst effektiv weggeschlossen werden können, und am einfachsten ist es da wohl, mich mit einer neuen diesbezüglichen Untersuchung zu betrauen.
Die Konsequenzen der Kriminalität für normale, nette Leute müssen näher untersucht werden, und auch Straftaten, die nicht zur Anzeige gelangen, dürfen nicht unberücksichtigt bleiben. Gemeinsam mit der Reichspolizeibehörde beschließt das statistische Zentralamt, mir den Auftrag zu erteilen, den ersten Rapport Schwedens über Verbrechensopfer zu verfassen.
Aber ich drehe noch an einem bedeutend größerem Rad. Die Kritik an den Vorschlägen des Ausschusses zu Sexualverbrechen, die Strafen für sexuelle Übergriffe ganz aufzuheben oder abzuschwächen, darf nicht verstummen. Natürlich müssen auch die Frage nach dem Ausmaß der Prostitution und welche Schäden das organisierte Verbrechen und die Wirtschaftskriminalität eigentlich verursachen, untersucht werden. Es muss ermittelt, und Maßnahmen müssen ergriffen werden … und so weiter und so weiter.
Mitte der 1970er Jahre sitze ich als Sachverständiger und Experte in einem halben Dutzend staatlicher Gremien. Gleichzeitig leite ich mehrere große wissenschaftliche Untersuchungen, und mir stehen mehr Mittel zur Verfügung, als ich ausgeben kann. Ich bin gerade dreißig Jahre alt geworden, mein Erfolg ist mir zu Kopf gestiegen, und mir ist nicht einmal aufgefallen, dass der Grund dafür, dass mir die ganze Zeit diese Aufträge zufallen, die nur ich bewältigen kann, der sein könnte, dass ich einen Rückfall in die Kunst, eine Kuh auszumalen, erlitten habe. Noch viel weniger habe ich einen Gedanken daran verschwendet, dass die Ideen, die mich beherrschen, noch deutlicher sind als die vorgezeichnete Kuh der Milchzentrale in der ersten Grundschulklasse.
Ich habe natürlich keine Zeit, mich mit meiner Ehefrau und meinen Kindern abzugeben und gute Freunde zu treffen, und mich zu entspannen ist auch vollkommen undenkbar. Für die Lektüre guter Bücher fehlt mir die Zeit.
Hingegen haben wir gerade ein großes Haus in Djursholm gekauft. Ich fliege direkt in die Sonne, und der Einzige, der begreift, was ich eigentlich treibe, ist der Dichter Erik Lindegren. Leider ist er schon seit vielen Jahren tot und kann mich nicht warnen.
Die Reise einer Luftblase im Meer an die magnetisch verlockende Oberfläche:
das Sprengen der Fruchtblase, durchsichtig nahe,
Zeichenwirbel, getragen von einer Springflut, rasend azurblau,
einstürzende Mauern und der hilflose Ruf von der anderen Seite:
Wirklichkeit abgestürzt,
ohne Wirklichkeit geboren!
VI.
Wirklichkeit abgestürzt,
Reise abgebrochen
46.
Die Geijer-Affäre
Eine richtig gute Geschichte benötigt keine Hintergrundbeschreibung oder andere Erklärungen. Eine richtig gute Geschichte steht auf eigenen Beinen und lässt sich einfach erzählen. In diesem Sinne ist die Geijer-Affäre keine gute Geschichte. Sie ist eine komplizierte Geschichte, für die sowohl ein Hintergrund als auch eine Beschreibung der Zeit, in der sie sich abspielt, erforderlich sind. Gleichzeitig handelt es sich um eine wichtige Geschichte – um einen wichtigen
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