Der Professor - Wie ich Schwedens erfolgreichster Profiler wurde
Teil der neueren Geschichte Schwedens –, ein Grund, sie dennoch zu erzählen.
Im Jahr 1965 wird die schwedische Polizei verstaatlicht. Die finanzielle Verantwortung für die Polizei lag vorher bei den Gemeinden des Landes, aber jetzt wird eine nationale Polizeiorganisation geschaffen mit einer zentralen Reichspolizeibehörde, die von einem Reichspolizeichef geleitet wird. Die Reichspolizeibehörde verwaltet ab jetzt die Finanzen der Polizei. Außerdem werden die Sicherheitspolizei und das Reichskriminalamt in die Reichspolizeibehörde eingegliedert.
Die Verantwortung für die Polizei jeder Gemeinde liegt zwar weiterhin bei den kommunalen Polizeibehörden, aber die Schaffung einer nationalen Polizeiorganisation führt trotzdem zu einer beträchtlichen Machtverschiebung innerhalb der Polizei, weg vom lokalen und hin zu einem zentralen Niveau. Die Reichspolizeibehörde verfügt nun über das Geld. So einfach ist das.
Zum ersten Reichspolizeichef ernennt die Regierung jenen Mann, der die Verstaatlichung der schwedischen Polizei betrieben hat. Er heißt Carl Persson und ist bei seiner Ernennung 45 Jahre alt. Vorher war er Staatssekretär ohne Parteibuch im Innenministerium. Durch die Verstaatlichung der Polizei verschiebt sich auch die politische Verantwortung vom Innen- zum Justizministerium.
Die Zentralisierung der Polizei erhöht ihren Einfluss auf die Kriminalpolitik beträchtlich. Was Fragen der Macht betrifft, sind die beiden Hauptrollen im kriminalpolitischen Drama, das sich einige Jahre später abspielen wird, damit klar umrissen. Der Justizminister trägt die höchste politische Verantwortung, und der Reichspolizeichef leitet die bislang mächtigste Organisation auf dem kriminalpolitischen Gebiet.
In den ersten vier Jahren nach dem Amtsantritt Carl Perssons bleibt alles ruhig. Die Polizei ist vollauf damit beschäftigt, rein materiell aufzurüsten – immer mehr Geld für neue Polizeipräsidien, neue Fortbildungen, neue Fahrzeuge, neue Uniformen, neue Aufgaben –, für kriminalpolitische Initiativen fehlt es an Interesse und Zeit. Auch beim Justizministerium. Der Justizminister heißt Herman Kling, und will man seine Person und seine kriminalpolitischen Einsätze auf eine einfache und freundliche Art beschreiben, dann kann man sagen, dass Kling ein sehr müder Mann ist, der einfach nur seine Ruhe haben will. Müde aus einem in seinen Kreisen sehr häufigen Grund, und daran, eigene kriminalpolitische Initiativen einzubringen, denkt er nicht und noch viel weniger, Carl Persson Ärger zu machen.
Wir befinden uns im Jahr 1969. Olof Palme hat als Ministerpräsident die Nachfolge von Tage Erlander angetreten. Er hat Lennart Geijer zu seinem Justizminister ernannt. Selbst in der sozialdemokratischen Führungsschicht hat sich die Macht verschoben, und Erlander und die alte Garde mit Finanzminister Gunnar Sträng und Innenminister Rune Johansson befinden sich auf dem absteigenden Ast. Das ist im Hinblick auf die folgenden Ereignisse nicht uninteressant, denn gerade diese Politiker der älteren Generation haben Carl Persson unterstützt. Palme und Geijer repräsentieren eine neue Generation, obwohl Justizminister Geijer sogar älter ist als sein Vorgänger.
Lennart Geijer ist Jahrgang 1909. Er ist zehn Jahre älter als Persson, fast zwanzig Jahre älter als Palme, aber im Hinblick auf Letzteren gibt es andere Umstände, die bedeutend schwerer wiegen. Genau wie Palme entstammt er großbürgerlichen Verhältnissen und kommt in den Genuss der Zusammengehörigkeit, den dieser Umstand mit sich bringt.
Geijer ist mit dem großen Schriftsteller und Historiker Erik Gustaf Geijer verwandt, Jurist, ebenfalls an Geschichte interessiert und unter anderem dafür bekannt, die Geschichte der Familie Geijer aufgezeichnet zu haben. Er ist seit einigen Jahren Mitglied des Reichstags und hat drei Jahre als beratender Staatssekretär unter Kling gearbeitet. Vorher war er Jurist bei der TCO (Tjänstemannens Centralorganisation), dem schwedischen Beamtenbund und gleichzeitig mit dessen Vorsitzenden Lennart Bodström persönlich befreundet. Der neue Justizminister ist ein Mann, der der neuen politischen Macht bedeutend nähersteht als sein Reichspolizeichef.
Carl Persson hingegen hat einen gesellschaftlichen Aufstieg hinter sich und die Machtposition, die er bekleidet, aus eigener Kraft errungen. Er ist Sohn eines Pächters aus Schonen und ist nach dem Konkurs seines Vaters in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen. Carl Persson und
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