Der Professor
Beispiel, dass ich mal bei einer Schule oder einem Spielplatz vorbeischaue. Ich soll ums Verrecken nicht ich selbst sein.« Er lachte. »Könnte ihnen so passen.«
Adrian verlor ein wenig den Boden unter den Füßen. Naiverweise hatte er geglaubt, ein Sexualstraftäter wie Wolfe müsste sich wünschen, anders zu sein. Es war ihm nicht in den Sinn gekommen, es könnte das Gegenteil der Fall sein.
»Sie sind also an einer kleinen Besichtigungsrunde durch mein Leben interessiert, ja?« Wolfe wartete keine Antwort ab, sondern kehrte nur ins Wohnzimmer zurück. Er trat ans Fenster und ließ die Jalousien herunter. »Sie wissen, wo ich jeden Tag aufstehe und wo ich zur Arbeit gehe, wie sich das für einen kleinen Bewährungsknacki gehört.«
Adrian nickte. Er hielt die Waffe vor sich ausgestreckt.
»Und jetzt haben Sie mich und meine Mom gesehen. Uralte Sitcoms und Erwachsenenwindeln wechseln. Richtig nett, oder?« Die Waffe zitterte ein wenig in Adrians Hand. Er versuchte, die Hand ruhig zu halten. »Sie werden mich nicht erschießen«, sagte Wolfe. »Sie werden sich sogar meinen Wünschen beugen, weil ich Ihnen sonst nicht helfen werde. Und Hilfe brauchen Sie doch, nicht wahr, Professor?« Dies in ironisch aggressivem Ton.
Adrian schwieg. Er verstand nicht, wieso die Waffe Wolfe keine Angst einjagte. Er versuchte, den Grund dafür herauszufinden. Die Waffe war ein unmissverständlicher Schlüsselreiz. Gewaltsamer, schmerzhafter Tod. Eine entsprechende eindeutige Reaktion hätte er erwarten dürfen.
Wegducken und unkontrollierbare Angst.
Dass sie ausblieb, verwirrte ihn.
»Also, Professor, Zeit für einen kleinen Deal.«
»Ich mache keinen Deal mit Leuten Ihres Schlags«, konterte Adrian schwach. Kläglich daneben, räumte er ein.
»Und ob Sie das tun. Sie haben an die Tür da geklopft, weil Sie mir etwas verkaufen wollen. Oder vielleicht auch mir was abkaufen. Wir müssen uns nur auf die Konditionen einigen, bevor wir zum angenehmen Teil des Geschäfts kommen.«
Für einen Mann, der in einen Revolverlauf blickte, wirkte Wolfe entspannt. »Ich will den Laptop meiner Mutter zurück. Liegt auf der Hand. Die Festplatte gehört mir und sonst keinem. Persönliche Dinge. Jetzt erzählen Sie, was Sie wollen, und wir verständigen uns auf einen Preis.«
»Ich muss jemanden finden.«
»Gut. Heuern Sie einen Privatdetektiv an.«
»Ich bin der Privatdetektiv«, antwortete Adrian.
Wolfe stieß ein kurzes, spöttisches Lachen aus. »Abgesehen von dieser durchschlagkräftigen Kanone, mit der Sie da herumwedeln, sehen Sie nicht danach aus. Wissen Sie, Professor, zunächst mal sollten Sie die Waffe mit beiden Händen halten. Dann haben Sie ein bessere Kontrolle darüber, und Sie können genauer zielen.« Wolfe lächelte. »Da. Schon haben Sie was von mir gelernt. Und auch noch gratis und franko.«
Adrian ging seine Möglichkeiten durch. Er konnte entweder die Waffe sinken lassen, weglegen und anfangen zu verhandeln. Oder er konnte versuchen, Wolfe in derselben Manier zu drohen, wie es Terri Collins wohl getan hätte, doch er schätzte, dass ihm dazu die Bullen-Autorität abging und er wenig überzeugend wäre. Zwischen diesen beiden Möglichkeiten war er hin- und hergerissen, als er Brian flüstern hörte:
»Mach dir zunutze, wer du mal warst, wer du bist und wer du sein wirst … das könnte funktionieren.«
Er nickte und merkte, wie sein Bruder ihm half, den Revolver in den Griff zu bekommen. Er hielt ihn höher und richtete den Lauf genau auf Wolfe. Er legte langsam den Finger um den Abzug, dann brachte er ein leichtes Zittern in seine Stimme. »Ich bin krank«, sagte Adrian ruhig. »Ich bin sehr krank. Ich werde bald sterben.«
Wolfe sah ihn fragend an.
»Ihre Mutter, wie viel Vertrauen haben Sie zu Ihrer Mutter? Meinen Sie, dass sie weiß, was sie tut? Wenn jetzt sie mit dieser Waffe vor Ihnen herumfuchteln würde, wie sicher wären Sie wohl, dass sie nicht abdrückt und Ihnen ein verdammtes Loch ins Gesicht schießt, ohne dass Sie die geringste Ahnung haben, wieso? Und selbst wenn sie Ihnen nur eine Ladung in den Bauch jubeln würde und Sie vielleicht eine klitzekleine Chance hätten, es zu überleben, meinen Sie, dass sie auch nur so geistesgegenwärtig wäre, einen Krankenwagen zu rufen? Oder könnte es sein, dass sie sich wieder an ihr Strickzeug und vor den Fernseher setzt?«
Wolfe kniff die Augen zusammen, und das spöttische Grinsen verflog.
»Also«, fuhr Adrian langsam fort, »das, was ich habe, ist so
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