Der Professor
kein Wort darüber.
Wolfe ließ Adrian nicht aus den Augen. »Stimmt, Mom«, sagte er gedehnt. »Mein guter Freund, der Professor, ist wieder zu Besuch gekommen. Er hat deinen Laptop mitgebracht.«
»Sehen wir uns alle zusammen unsere Serien an?«, fragte sie.
»Ja, Mom, ich glaube, deshalb ist der Professor gekommen. Er will mit uns fernsehen. Du kannst schon mal mit dem Stricken anfangen.«
Rose lächelte und begab sich zu ihrem Platz. Im nächsten Moment plumpste sie in den Sessel, und das leise Klickklack der Nadeln bildete ein leises Hintergrundgeräusch.
»Ich zeige ihr meine persönlichen Dateien nicht«, sagte Wolfe. »Auch wenn sie es sowieso nicht richtig mitbekäme. Ich sorge immer dafür, dass sie ins Bett geht, bevor ich mir das reinziehe.«
Wie rührend, dachte Adrian. Er versteckt seine kranke Pornographie vor seiner Mutter. Was für ein guter Sohn. »Also …«, fing Adrian an.
»Sie werden sich gedulden müssen«, sagte Wolfe. »Das hier ist mein Haus, hier bestimme ich.«
Adrian nickte. Er setzte sich auf ein fadenscheiniges Sofa. »Dann warten wir zusammen«, sagte er. Die Waffe in seiner Hand blieb auf Wolfes Brust gerichtet.
»Wissen Sie«, sagte Wolfe und verzog das Gesicht zu einem verhaltenen Grinsen, »Leute wie ich, wir sind nicht wirklich gefährlich. Wir sind nur … ein bisschen seltsam. Hat Dr. West Ihnen das nicht gesagt?«
Nicht gefährlich. Was für eine Lüge!,
brüllte Adrian innerlich, während er äußerlich, wie er hoffte, den gleichmütigen Blick eines Klinikers aufrechterhielt. »Ich habe nicht mit Dr. West über Sie gesprochen«, antwortete Adrian. Wolfe wirkte für einen Moment erstaunt.
»Das ist interessant«, sagte der Triebtäter. Er sackte Adrian gegenüber schwer in einen Sessel und griff nach der Fernbedienung, die er auf den Kabelanschlusskasten unter dem Flachbildfernseher richtete und dabei murmelte: »Weil mir scheint, dass der gute Doktor Ihnen sehr ähnlich ist.«
»Inwiefern?«, fragte Adrian, als ein Programmmenü auf dem Bildschirm erschien.
»Er will etwas wissen«, sagte Wolfe. Er lachte kurz auf. »Nur dass er es nicht nötig hat, mir die Pistole auf die Brust zu setzen, um rauszufinden, was er wissen will.«
Adrian fühlte sich benommen. Er wünschte sich Hilfe, er
brauchte
Hilfe. Doch alle seine toten Besucher blieben stumm. Er glaubte, nicht für lange.
Einer von ihnen wird mir helfen.
Er war zuversichtlich.
Sie werden mich nicht lange im Stich lassen.
»Was meinen Sie, Professor?«, fragte Wolfe unvermittelt. »Eine Wiederholung von
MASH
?
Oder vielleicht lieber die alte
Mary Tyler Moore Show
? Der Humor von
Die Simpsons
ist meiner Mutter zu hoch.«
Er wartete keine Antwort ab, sondern drückte auf einen Knopf, und der Bildschirm füllte sich mit Armeehelikoptern in olivgrüner Tarnfarbe über einer Hügelkette in Südkalifornien, die sich als Korea anno 1950 ausgab. Aus den Lautsprechern drang vertraute Filmmusik. »Oh, gut«, sagte Rose erfreut. »Das sind Hawkeye und Major Burns.« Die Stricknadeln klickten energisch, während sie sich zum Fernseher vorbeugte.
»Die kennt sie alle auswendig«, sagte Wolfe. »Radar. Hot Lips. Trapper John und Klinger. Aber sie kann nicht sagen, wie ihre Schwester heißt. Oder irgendeiner von meinen Cousins. Die sind inzwischen alle Fremde für sie. Natürlich lassen sie sich auch nicht so oft bei ihr blicken wie Alan Alda und Mike Farrell. Auch sonst keiner. Es gibt nur uns beide. Ganz allein. Außer den Leuten auf dem Bildschirm. Das sind ihre einzigen Freunde.«
Adrian dachte:
Er könnte dasselbe über sich sagen.
Wolfe wechselte auf seinem Sessel die Stellung, so dass er das Fernsehprogramm verfolgen konnte, und ignorierte Adrian, als existierten er und seine Waffe nicht mehr. Nur als Adrian die Tasche mit Roses Computer auf dem Boden zwischen seinen Füßen absetzte, verspannte sich Wolfe einen Moment. Adrian wusste nicht, wie lange er die Waffe noch halten konnte, die immer schwerer wurde und ihn wie ein Tauchergewicht in die Tiefe zu ziehen drohte.
Sie brachten den ganzen Abend mit alten Sitcoms herum. Die Figuren des 4077th Mobile Army Surgical Hospital wurden von Archie und Meathead abgelöst, denen in nahtlosem Übergang Diane und Sam folgten. Zwei Stunden lang füllten alberne Späße den Bildschirm. Rose lachte oft, zuweilen über einen tatsächlichen Witz, aber auch bei anderen Gelegenheiten. Mark Wolfe schien die auf ihn gerichtete Waffe vergessen zu haben und flegelte sich in
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