Der Professor
wirklich unmöglich.«
»Sie wird zu gar nichts bereit sein, Mister Wolfe. Sie wird es nicht freiwillig tun.«
Wolfe schwieg mit leicht geöffnetem Mund. Dann nickte er. »Das grenzt die Suche allerdings ein«, gab er zu.
Adrian sah sich in dem kleinen Wohnzimmer um, als suchte er nach weiteren Anleitungen durch eine der Stimmen, überlegte dabei jedoch, was er sagen sollte, ohne zu viel preiszugeben. Als er sich wieder zu Wort meldete, sprach er leise und in hartem Ton. »Verstehe.« Er kniff die Augen zusammen und richtete sie eindringlich auf den Sexualstraftäter. Im Hintergrund hörte er, wie Brian ihn anspornte.
»Sie müssen sich also mit den Bildern begnügen. Das ist im Moment das Einzige, was Ihnen zu Gebote steht, nicht wahr, Mister Wolfe? Bilder sind natürlich nicht ganz dasselbe wie die Realität – aber
fürs Erste
sind sie ein akzeptabler Ersatz, nicht wahr? Und dann lassen Sie sich von Ihrer Phantasie leiten. Das hilft Ihnen, die Kontrolle zu bewahren, stimmt’s, Mister Wolfe? Weil Sie Zeit gewinnen müssen. Sie können es sich nicht leisten, wieder in den Knast zu wandern, vorerst nicht, weil Ihre Mutter Sie braucht. Aber sie ist nach wie vor da, die große Begierde, oder? Lässt sich nicht verdrängen, also schaffen Sie sich ein Ventil, denn diese Bedürfnisse, die verschwinden nicht einfach so. Und das bietet Ihnen der Computer. Die Möglichkeit, zu phantasieren und zu spekulieren und sich so was wie ein inneres Gleichgewicht zu schaffen, bis sich Ihre Lebenssituation ändert und Sie wieder machen können, was Sie machen wollen.
Und das fühlt sich gar nicht mal so schlecht an, schließlich gehen Sie zur Arbeit und regelmäßig zur Therapie, und Sie glauben, Sie hätten Ihren Seelenklempner vollkommen eingewickelt, nicht wahr? Weil Sie nämlich rausgekriegt haben, dass er in Bezug auf all diesen dunklen Sex ziemlich neugierig ist und Sie ihn spielend an der Nase herumführen können. Es hat mit Kontrolle zu tun, stimmt’s, Mister Wolfe? Im Moment haben Sie all diese Dinge in Ihrem Leben unter Kontrolle, und Sie warten auf den geeigneten Moment, in dem Sie das, was Sie mehr als alles andere wollen, wieder in die Tat umsetzen können.«
Adrian legte eine Pause ein.
»Er soll dir diese Dinge zeigen!«,
forderte Brian, der dicht neben ihm stand, energisch.
»Öffnen Sie eine von diesen persönlichen Dateien«, sagte Adrian. Die Waffe richtete sich wieder auf Wolfe. Doch diesmal schien sie ihm in der Hand zu glühen, und er war entschlossen, notfalls auch Gebrauch davon zu machen.
Wolfe musste dasselbe gespürt haben. Er fletschte die Zähne, doch wenig überzeugend. Er schielte abwechselnd zum Laptop und zum Fernsehapparat. Er drückte ein paar Tasten, und das Bild eines sehr jungen Mädchens – wohl gerade mal elf Jahre alt – blitzte auf. Sie war nackt und starrte dem Betrachter mit einem koketten, vielsagenden Blick entgegen, der bei einer doppelt so alten Frau professionell gewesen wäre. Wolfe atmete schwer aus. »Sie glauben, mich zu durchschauen, Professor, nicht wahr?«
»Ich weiß genug, das brauche ich Ihnen nicht zu sagen.«
Wolfe schwieg darauf. »Es gibt Domains«, sagte er dann bedächtig, »die ausgefallene Geschmäcker bedienen. Verborgene Winkel. Tabuzonen. Ich glaube nicht, dass Sie diese Grenzen überschreiten wollen.«
»Und ob ich das will«, sagte Adrian. »Denn genau da ist Jennifer.«
Wolfe zuckte die Achseln. »Sie sind verrückt«, sagte er.
»Das sehen Sie richtig«, antwortete Adrian. »Vielleicht ist das ganz gut so.«
»Falls dieses Mädchen entführt wurde, Professor, und selbst wenn sie irgendwo hier drinnen zu finden ist …«, er deutete auf den Laptop, »dann sollten Sie besser davon ausgehen, dass sie tot ist, denn das ist sie früher oder später.«
»Das gilt für uns alle früher oder später«, erwiderte Adrian. »Sie. Mich. Ihre Mutter. Für jeden kommt die Zeit. Nur dass sie für Jennifer noch nicht gekommen ist. Noch nicht.« Seine Überzeugung speiste sich aus nichts als Spekulation.
Wolfe schien fasziniert und widerstrebend zugleich. »Was kann ich Ihrer Meinung nach für Sie tun?«, fragte er, auch wenn die Frage schon den ganzen Abend im Raum stand.
Adrian spürte, wie ihn sein Bruder an der Schulter packte und ein wenig vor sich herschob. »Ich will Ihnen sagen, was ich von Ihnen will, Mister Wolfe. Ich will, dass Sie Ihre Phantasie benutzen. Genauso, wie Sie es tun, wenn Sie in der Pause an einem Schulhof
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