Der Professor
auf dem Sofa zurücklehnten und – ganz und gar gebannt – das Geschehen weiterverfolgten.
Zur gleichen Zeit schickte im Tau-Epsilon-Phi-Haus der University of Georgia der Verbindungsstudent seinem Kommilitonen, der in einem Abendseminar saß, eine brandheiße SMS . »Kein Scheiß! Wir haben gewonnen. Es geht gerade ab. Du verpasst es.«
Er warf sein Handy weg und konzentrierte sich auf den Bildschirm. Er hatte trockene Lippen, seine Kehle war ausgedörrt, und er hatte das Gefühl, als wäre es drückend schwül im Zimmer. Er hielt sich an der Kante seines Schreibtischs fest, um nicht heftig vor und zurück zu wippen. Er wusste, dass das, was er da sah, real war – die Schreie von Nummer 4 konnten unmöglich gestellt sein –, und er rutschte in einer Mischung aus Erregung und Scham auf seinem Stuhl herum.
In der Ecke des Bildschirms blieb die Vergewaltigungsuhr auf einer Zahl stehen, die einen Moment lang rot aufblitzte, bevor sie auf null zurückgesetzt wurde.
36
N ein«, sagte Adrian. »Nein, nein, nein«, wiederholte er.
Auf dem Monitor erschien eine junge Frau nach der anderen, die entweder in irgendeiner sexuellen Handlung posierte, in Seifenschaum gehüllt vor laufender Kamera duschte, mit nacktem Körper hingebungsvoll Make-up auftrug oder aber in obszöner Direktheit einen Mann oder eine Frau befriedigte. Gewöhnlich einen Mann mit Tätowierungen oder eine Frau mit wallender blonder Mähne. Einige waren angehende Pornostars, andere blutige Anfänger. Ob College-Studenten oder Callgirls, alle schienen sie der Kamera etwas vorzugaukeln. Adrian flog der Gedanke an, dass sie ausnahmslos, so kindlich schön sie waren, ein Rätsel blieben. Er haderte mit sich:
Da hast du dich nun ein Leben lang mit Psychologie befasst und kannst nicht erklären, wieso sich jemand vor Fremden auf so intime Weise entblößt.
Eine Antwort lag natürlich auf der Hand. Geld.
Adrian drehte sich zu dem Triebtäter um, der einen um den anderen Auftritt auf die Mattscheibe bannte. Er hätte erwartet, dass Mark Wolfes Geduld erschöpft war und er frustriert die Hände hochwarf, denn so fühlte Adrian sich selbst, doch Wolfe tat nichts dergleichen. Er tippte einfach weiter in die Tastatur, beschwor Bilder herauf, loggte sich in endlos viele Websites ein, so dass der pornographische Ansturm weiterwütete und kein Ende abzusehen war. Wolfe erinnerte ihn an einen Pianisten, der versunken in die Tasten griff. Kaum einmal verweilte er bei einem Bild oder Video, wobei er das beständige Ächzen und Stöhnen, das aus den Lautsprechern drang, einfach zu ignorieren schien. Auch Adrian achtete kaum auf die Details der Szenen, als hätte ihm die unablässige Flut die Sinne abgestumpft und seine Aufnahmefähigkeit stark eingeschränkt. Er hatte nur für irgendein verräterisches Anzeichen von Jennifer Augen.
Brian flüsterte ihm ins Ohr:
»Audie, was er dir da vorführt, ist die akzeptable Welt der Pornographie. Was du suchst, ist woanders.«
Er wurde unruhig. »Mister Wolfe«, sagte er langsam. »Das ist nicht der richtige Ansatz.«
Wolfe hielt an. Er drückte eine Taste, die den Ton ausschaltete, so dass ein Mädchen von kaum achtzehn Jahren, das sich in offensichtlich aufgesetzter Leidenschaft wand, plötzlich verstummte. Er hielt seinen Schreibblock mit einer Liste von Dotcom-Adressen hoch, die er zusammengestellt hatte, und Website-Namen wie screwingteenagers.com oder watchme24.com. Adrian vermutete, dass so ziemlich jede Kombination sexuell suggestiver Begriffe irgendwo auf der Landkarte des Internets ihren Platz gefunden hatte. »Da sind noch eine Menge Adressen, die wir überprüfen müssen«, fing Wolfe an und schüttelte dann den Kopf.
Adrian nahm einen neuen Anlauf: »Das ist die falsche Vorgehensweise, nicht wahr, Mister Wolfe?«
»Stimmt, Professor«, antwortete er. Wolfe zeigte auf die Frau vor ihren Augen. »Und«, sagte er langsam, »wie Sie vermutlich inzwischen selber sehen, werden nicht allzu viele Leute zu irgendetwas von dem, was sie da tun, gezwungen.«
Adrian betrachtete den Bildschirm. Er fühlte sich wie bei einem Schaukampf.
»Nein, ich muss mich korrigieren«, fuhr Wolfe fort. »Schon möglich, dass sie sich dazu gezwungen sahen, weil sie keinen Job haben oder weil es das Einzige ist, was sie können. Oder irgendetwas in ihnen zwingt sie dazu, weil es sie antörnt. Möglicherweise. Aber das trifft ganz sicher nicht auf Klein-Jennifer zu, stimmt’s?«
Adrian nickte.
»Dachte ich mir«, sagte Wolfe.
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