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Der Professor

Titel: Der Professor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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wurde. »Ich sehe jemanden, der, aus welchem Grund auch immer, auf diesem Bildschirm sein
will
«, sagte er. »Ich sehe jemanden, der sich an die Spielregeln hält und bereit ist zu liefern, was von ihm erwartet wird. Ich sehe ein Mädchen, das nicht gezwungen wurde, sich diese Narben beizubringen.«
    Wolfe lächelte. »Das war poetisch, Professor. Ich teile Ihre Meinung.«
    »Ich sehe Ausbeutung. Ich sehe Kommerz.«
    »Sehen Sie auch das Böse, Professor? Viele würden sagen, dass sie in menschliche Abgründe blicken, etwas Grässliches, Erschreckendes. Und dann schauen sie es sich nicht mehr an.«
    »Auf meinem Gebiet fällen wir keine moralischen Urteile. Wir ergründen nur bestimmte Verhaltensweisen.«
    »Klar doch. Sie können mir viel erzählen …« Wolfe schien amüsiert, doch so, dass man ihm deswegen nicht böse sein konnte. Adrian vermutete, dass er einige Zeit damit zugebracht hatte zu ergründen, wer er war und wieso er bestimmte Vorlieben hatte. Als Wolfe sich wieder der Tastatur zuwandte, hörte Adrian, wie Brian ihm ins Ohr flüsterte:
»Er ist pervers und abnorm, aber ob du’s glaubst oder nicht, er ist kein Soziopath. Ist das nicht absolut verrückt?«
    Brians Lachen verhallte, als Wolfe einige Tasten drückte und auf dem Bildschirm etwas in Schwarz und Rot erschien. Es war eine Nahaufnahme von einem Verlies voller Peitschen und Ketten und einem schwarzen Holzgestell, auf dem ein Mann mit enger, schwarzer Ledermaske systematisch von einer großen, fülligen Frau geschlagen wurde, die ebenfalls in schwarzem Leder steckte. Der Mann war nackt, und sein Körper zuckte bei jedem Hieb. Ob aus Lust oder Schmerz, konnte Adrian nicht sagen. Vielleicht eine Mischung aus beidem, vermutete er.
    »Finstere Orte wie dieser«, sagte Wolfe.
    Adrian sah einen Moment hin. Er registrierte, wie der Mann zitterte. »Ja, verstehe. Aber das hier …«
    »Nur ein Beispiel, Professor.«
    Adrian schwieg einen Moment. »Wir müssen die Suchkriterien eingrenzen.«
    Wieder nickte Wolfe. »Genau das denke ich auch.«
    Beinahe wäre Adrian herausgeplatzt: »Aber wo zum Teufel soll ich suchen?«, weil er hoffte, dass Tommy oder Brian ihm weiterhelfen konnten, doch zu seiner Enttäuschung blieben sie stumm. »Wir müssen nach Gefangenen suchen«, sagte er. Wolfe schien zu überlegen, während Adrian fortfuhr: »Drei Leute, die beiden Kidnapper und Jennifer. Wie
werben
sie für das, was sie vorführen,
Leute an?
Sie müssen damit Geld verdienen, sonst ist diese ganze Suche vergebens. Also, finden Sie das Geld, Mister Wolfe. Zeigen Sie mir, wie jemand, der ein Mädchen auf der Straße entführt hat, sein Opfer benutzt.«
    Adrian machte Druck. Seine Stimme strahlte eine Autorität aus, die seiner Krankheit trotzte. Irgendwo in einem hinteren Winkel seines Kopfes hörte er, wie ihm sein Bruder und sein Sohn applaudierten.
    Wolfe wandte sich wieder dem Computer zu. »Nur mit der Ruhe«, sagte er leise. »Das hier wird schwere Kost, besonders für einen alten Mann wie Sie.«
    »Für Sie nicht, Mister Wolfe?«
    Der Triebtäter schüttelte den Kopf. »Vertrautes Territorium, Professor. Hab ich alles schon mal so oder so gesehen.« Er tippte weiter in die Tasten. »Wissen Sie, wenn Sie wie ich sind, dann verstehen Sie deshalb noch lange nicht genau, was …«, er zögerte, »… einen anzieht. Man sondiert das erst mal. Wenn einem Bilder und Begierden im Kopf herumschwirren, na ja, dann geht man ihnen erst mal nach. Zunächst legt man beträchtliche Strecken im Kopf zurück, erst dann mit den Füßen.«
    Er zuckte die Achseln. »Und da tappt man gewöhnlich in die Falle. Wenn man noch nicht genau weiß, wonach man sucht. Wenn man es erst mal weiß, und ich meine,
richtig weiß,
also, dann kann einem praktisch nichts passieren, weil man dann konkret planen und systematisch vorgehen kann.«
    Adrian bezweifelte, dass irgendein Kollege in seinem ehemaligen Institut über die komplexen, verschlungenen emotionalen Aspekte einer Reihe von Sexualstraftaten und abnormen Verhaltensweisen eine so treffende Analyse hätte präsentieren können.
    Den Finger vor einem letzten Tastendruck in der Schwebe, verstummte Wolfe plötzlich. »Ich muss wissen, dass Sie hinter mir stehen«, sagte er schroff. »Ich muss wissen, ob ich auf Sie zählen kann, Professor. Ich muss mich drauf verlassen können, dass dies alles hier unter uns bleibt.«
    Adrian hörte plötzlich, wie Tommy und Brian ihn gleichermaßen bedrängten.
Mach schon, lüge.
»Ja, ich gebe Ihnen

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