Der Professor
hätten mich einfach anrufen können.«
Mark Wolfe zuckte die Achseln. »Der alte Herr ist nicht aufgetaucht«, sagte er. »Der Professor hat gesagt, er komme heute früh wieder, damit wir weitermachen können. Ich hab mich extra bei meinem Chef krankgemeldet, verdammt, und wir wollten …«
»Wollten was?«, fragte Terri in scharfem Ton.
»Ich hab ihm die Sachen im Internet gezeigt.« Wolfe sprach langsam und mit Bedacht. »Er wollte, na ja, er wollte einige ziemlich entlegene Dinge sehen. Ich meine, er ist Psychologe, verflucht noch mal, und ich hab ihm nur ausgeholfen. Er hatte nicht die geringste Ahnung, wie und wo er suchen muss, und …«
»Sie schon«, ergänzte Terri zugeknöpft.
Wolfe sah sie mit einem Blick an, der stumm signalisierte:
Was hätten Sie denn gemacht?
»Dass Sie mich nicht falsch verstehen. Ich mag den alten Mistkerl irgendwie«, sagte Wolfe in einem Ton, der von einer drolligen Zuneigung zeugte. »Hören Sie, wir beide wissen, dass er ein bisschen verrückt ist, aber er lässt sich auch nicht beirren, wenn Sie wissen, was ich meine …« Wolfe legte eine Pause ein, um Terris Pokerface zu deuten. Er schien einen anderen Gang einzulegen und fügte betont forsch hinzu: »Ich muss mit Ihnen reden, aber unter vier Augen.«
»Unter vier Augen?«
»Ja. Ich will keinen Ärger kriegen. Hören Sie, Detective, ich versuche hier, der Gute zu sein. Ich hätte zu Hause bleiben und sagen können, du kannst mich mal, aber so bin ich nicht. Ich bin hergekommen, um es Ihnen zu sagen. Der Professor ist ziemlich angeschlagen, ist Ihnen doch bestimmt nicht entgangen …« Wolfe beäugte Terri, um zu sehen, ob sie sich in diesem Punkt einig waren. »Und, na ja, ich mach mir Sorgen um ihn, ist das so verwunderlich? Wie wär’s, wenn Sie ein bisschen Nachsicht üben würden?«
Terri überlegte. Sie wusste nicht recht, was sie von alledem halten sollte, und dass der Sexualstraftäter mit einem Schlag ein anständiges, gesetzestreues Mitglied der Gesellschaft werden sollte, war ein gewöhnungsbedürftiger Gedanke. Doch irgendetwas hatte ihn dazu gebracht, aufs Revier zu kommen, und dieses Etwas musste schon ein starker Ansporn sein, denn einen Mann von seinem Schlag zog es nicht im Mindesten zum Freund und Helfer. »In Ordnung«, sagte sie. »Wir können unter vier Augen reden. Aber zuerst sagen Sie mir, wieso.«
Wolfe lächelte auf eine Art, die ihr Misstrauen noch mehr schürte. »Nun ja«, sagte er, »ich schätze, dass der Professor kurz davor ist, jemanden zu erschießen.«
Wolfe wusste zwar nicht, ob das stimmte; andererseits hatte Adrian so lange mit der Halbautomatik vor seinem Gesicht herumgefuchtelt, dass der Schluss keineswegs abwegig war. Bei näherer Betrachtung lag es sogar nahe, dass das Risiko tödlicher Verwundungen beträchtlich stieg, wenn man die Möglichkeit einbezog, dass der Professor vage in die Richtung eines Menschen zielte und
aus Versehen
einen Schuss abfeuerte.
Obwohl Wolfe mehrfach versicherte, dass sie ihn dort nicht finden würden, fuhren sie zu Professor Thomas’ Haus. Wie er der Kommissarin vorausgesagt hatte, war sein Auto nicht da, und die Haustür stand offen. Ohne zu zögern, ging Terri Collins hinein, während Mark Wolfe in einigem Abstand folgte. Während die eine sich bewusst machte, dass sie eine ziemlich eindeutige Dienstvorschrift missachtete, war der andere äußerst gespannt.
Vor ihnen breitete sich ein beträchtliches Chaos aus. Terri ignorierte es und nahm nur am Rande wahr, dass es sich seit ihrem ersten Besuch bei dem Professor deutlich verschlimmert hatte. Inzwischen war nicht mehr der geringste Versuch zu erkennen, ein Mindestmaß an Ordnung und Sauberkeit aufrechtzuerhalten. Kleider, Geschirr, Abfälle und Papiere breiteten sich über sämtliche Ablageflächen aus. Es war, als wäre erst vor wenigen Minuten ein Sturm durchs Haus gebraust.
Sie erhob die Stimme: »Professor Thomas?«, auch wenn sie wusste, dass sie ihn nicht antreffen würden. Sie ging durchs Wohnzimmer und rief noch einmal: »Professor Thomas, sind Sie da?«, während Wolfe in ein Nebenzimmer trat. Sie fuhr ihn an: »Hey, Sie bleiben bei mir«, doch er ignorierte sie.
»Das hier müssen Sie sich ansehen«, rief Wolfe zur Antwort.
Sie ging zu ihm und sah, dass er sich bereits an den Computer im Arbeitszimmer des Professors gesetzt hatte. Wolfe tippte furios. »Was wollen Sie mir zeigen?«, fragte sie.
»Ich nehme mal an, Sie wollen die Website sehen, bei der er so aus dem
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