Der Professor
Häuschen geriet. Er hat versucht, mir weiszumachen, es sei nicht die richtige, aber dann hat er Sie wegen der verdammten Narbe angerufen und dieses …«
»Ja, das Tattoo, erzählen Sie weiter …« Sie beugte sich zum Monitor vor.
Vor ihnen erschien die Eingangsseite von Whatcomesnext.com. Wolfe tippte das Passwort »Jennifer« ein. »Hallo, Psychoprof«, wurde er begrüßt, bevor eine junge Frau zu sehen war. Das Bild wirkte auf Terri körnig, ein wenig verwackelt und unscharf; andererseits merkte sie, wie sich ihr Puls beschleunigte, so dass es vielleicht eher an ihr lag und nicht an der hochauflösenden Übertragung.
Sie sah eine nackte junge Frau, die mit Handschellen an eine Wand gekettet war und in embryonaler Haltung dalag, während sie ein Stofftier umklammerte. Die Gestalt der jungen Frau war teilweise von der Kamera abgewandt, so dass die Einzelheiten ihres Körpers schwer auszumachen waren, und außerdem steckte ihr Gesicht unter einer schwarzen Haube. Sie sah das Tattoo der schwarzen Blume an einem dünnen Arm. Aber nicht die Narbe, nach der sie Professor Thomas gefragt hatte. »Mein Gott«, sagte sie. »Was zum Teufel ist das?«
»Eine Webcam-Direktübertragung«, sagte Wolfe. Er klang ein bisschen wie der Professor. »Die Leute wollen heute alles live haben, in Echtzeit, ohne Verzögerung. Augenblickliche Befriedigung.«
Terri starrte unverwandt auf den Monitor und versuchte, das Bild der jungen Frau mit ihrer Erinnerung an Jennifer in Deckung zu bringen, womit sie, ohne es zu wissen, genau dasselbe tat wie vor ihr Adrian. »Das muss eine Schauspielerin sein«, sagte Terri fassungslos.
»Ach ja?«, schnaubte Wolfe. »Detective, von dem hier haben Sie keine Ahnung.«
Er klickte auf den Button, der das Menü auf den Bildschirm brachte. Er ging auf ein beliebiges Kapitel, und plötzlich sahen sie beide, wie sich das Mädchen, das jetzt eine Augenbinde trug, wusch und dabei versuchte, ihre Blöße vor neugierigen Blicken zu verbergen. Währenddessen trat immer wieder die Gestalt eines Mannes ins Bild. Diesmal sah auch Terri die Narbe. »Die passt nicht«, sagte sie, auch wenn sie nicht ganz überzeugend klang.
»Sicher«, antwortete Wolfe. Er sprach jetzt schnell und aufgeregt. »Das haben Sie gestern Abend zum Professor gesagt, allerdings war für mich offensichtlich, dass er Ihnen nicht geglaubt hat. Oder er hat gedacht, es handelt sich um Hollywood-Make-up.«
»Ich müsste ihr Gesicht sehen«, sagte Terri. Sie sprach jetzt nur noch im Flüsterton.
»Wird erledigt«, sagte Wolfe. »Mehr oder weniger. Sie haben sie immer maskiert.« Er rief das Kapitel mit dem Interview von Nummer 4 auf. Ihre Stimme war ein wenig verzerrt, als sie die Fragen beantwortete, und Wolfe erklärte fachmännisch: »Wahrscheinlich haben sie die Tonspur ein bisschen manipuliert, damit man nicht sofort erkennt, wie sie klingt.«
Terri starrte auf das Mädchen mit der Augenbinde und achtete auf jedes Wort, das sie sagte. Sie dachte an die Gelegenheiten zurück, bei denen sie selbst Jennifer gegenübergesessen hatte. Sie versuchte, etwas in der Stimme wiederzuerkennen, aus dem sie schließen konnte, dass ihre Erinnerung an Jennifer und das, was sie vor sich hatte, identisch waren.
Das muss sie sein,
dachte sie selbst in dem Moment, als sie zu ihrem Staunen hörte, wie das Mädchen sagte: »Ich bin achtzehn.«
»Wo –«, fing sie an.
»Das ist es ja«, sagte Wolfe. »Das ist nicht in L. A. oder Miami oder Texas. Diese verdammte Website ist ungefähr zwei Stunden von hier.«
Braucht es nur zwei Stunden, um jemanden in die Hölle zu schicken?,
dachte Terri.
»Ich hab die GPS -Koordinaten«, fuhr Wolfe fort. »So wie der Professor. Da ist er wahrscheinlich hin. Das heißt, da gehe ich jede Wette ein. Er ist uns nur ein Stückchen voraus. Nur dass der alte Mann wohl nicht so schnell fährt.«
Das sehe ich anders,
dachte Terri, auch wenn sie es nicht aussprach. Sie zückte ihr Handy, doch Wolfe schüttelte den Kopf. »So modern ist er nun auch wieder nicht«, sagte er in Beantwortung der naheliegenden Frage.
»Na schön. Dann beeilen wir uns«, sagte Terri. Wolfe klickte auf die Maus, und die Website verabschiedete sich mit einem beschwingten »Auf Wiedersehen, Psychoprof«.
Fast genau in den Fußstapfen, die Adrian nicht lange vor ihnen hinterlassen hatte, rannten sie aus Adrians Haus über die Einfahrt zu Terris Wagen. Hätten sie nicht ganz so prompt reagiert und nur wenige Sekunden vor dem Monitor verweilt,
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