Der Professor
fuhr mit dem Kopf herum. In der Kellerecke befand sich eine wackelige Holztreppe. Er hatte die vage Vorstellung gehabt, Jennifer aus dem Keller nach oben zu bringen und mit ihr durch die Küche aus dem Haus zu verschwinden, als wären sie auf einmal unsichtbar und als gäbe es niemanden, der etwas dagegen haben konnte, dass sie gingen. Sie waren nur wenige Schritte vom unteren Treppenabsatz entfernt.
In dem Moment, als er sich umblickte, sah er, wie plötzlich ein Lichtstrahl über die dunkle Wand huschte. Dann hörte er es knarren, und er wusste, dass oben die Tür aufging. Während er noch wie gebannt auf das Licht starrte, wurde er energisch zurückgezogen.
Es war Jennifer, die sich an seinen Arm klammerte und daran zerrte. Wer der alte Mann auch sein mochte, er musste es mit ihren Entführern aufnehmen, und es gab keinen Zweifel, dass die beiden oben an der Treppe standen. Der Überlebensinstinkt brachte sie dazu, Adrian tiefer in den Keller zu ziehen. Adrian ließ es sich gefallen, er hätte nicht gewusst, was er sonst hätte machen sollen. Und während er zögerte und sich sagte, er müsse erst einen Plan entwerfen, flog ihm plötzlich alles um die Ohren.
Ein Kugelhagel donnerte die Treppe hinunter. Der Keller hallte von der Kanonade wider. Durchschlagskräftige 7,62-Millimeter-Patronen prallten von den Zementwänden ab und pfiffen unberechenbar durch die staubige Luft. Überall flogen Gesteinsbrocken und zersplittertes Gerümpel herum; der ganze enge unterirdische Raum wurde in Stücke gerissen.
Adrian und Jennifer warfen sich zur Seite und duckten sich an die von den Schüssen am weitesten entfernte Wand. Sie schrien beide, als seien sie getroffen, was nicht der Fall war. Es schien wie ein unglaubliches Wunder, doch Adrian sah, dass der Schusswinkel die Treppe hinunter die Wirkung des Trommelfeuers beeinträchtigte, auch wenn Patronen aus Militärbeständen in die Wände und die Decke krachten.
Es gab für sie keinen anderen Ausweg als das kleine Fenster, durch das Adrian eingestiegen war. Es war gefährlich, dorthin zu kommen, denn wenn derjenige, der von der Treppe her schoss, auch nur drei oder vier Stufen herunterkam, hatte er den ganzen Keller im Visier. Die einzige Deckung hätten sie in Jennifers Zelle gehabt, doch er konnte das Mädchen nicht bitten, dorthin zurückzukehren, und sie hätte sich zweifellos geweigert. Selbst wenn sie dort am sichersten gewesen wären, was durchaus fraglich war, hätte Jennifer das niemals so gesehen. Das Stofftier an sich gedrückt, kauerte sie wimmernd neben ihm.
Eine zweite Salve wurde abgefeuert und durchsiebte die Wolken aus Ziegel- und Mörtelstaub, die ihnen um den Kopf wirbelten, einen bitteren Geschmack auf der Zunge hinterließen und sie zum Husten brachten. Sie bekamen nur schwer Luft.
Ein Ausweg. Sonst keiner.
Behutsam löste Adrian Jennifers Finger, die sich in seinen Arm krallten. Sie schien in Panik und wollte nicht loslassen, doch als er mit der Waffe auf das Fenster zeigte, schien sie zu begreifen. »Wir müssen da rauf«, sagte er heiser inmitten des Lärms aus der automatischen Waffe.
Zuerst war Jennifers Blick vor Angst getrübt, doch als sie zu dem Fenster hinaufsah, das sich vielleicht zweieinhalb bis drei Meter hoch befand, schien sie klar zu sehen. Außerdem schien sie sich zu stählen, als katapultierte sie der Kugelhagel endgültig ins Erwachsenenalter.
»Das schaff ich«, sagte sie leise und nickte. Bei dem ohrenbetäubenden Lärm hätte sie brüllen müssen, doch Adrian verstand ihre Antwort mit der Geistesgegenwart, die Gefahr beschert.
Er richtete sich auf, löste sich von der Wand, an der sie gekauert hatten, packte altes, aussortiertes Mobiliar sowie unförmige Gegenstände, die einmal zum Alltag eines Bauernhauses gehört hatten – ein zerbrochenes Waschbecken, zwei Stühle –, und zog sie verzweifelt durch den Keller, um sie an der Wand unter dem Fenster zu stapeln. Er musste genug zusammenschaffen, bis es eine Art Leiter hergab. Sein gebrochener Fuß bereitete ihm solche Qualen, dass er sich einen Moment lang fragte, ob ihn ein Schuss getroffen hatte. Dann wurde ihm bewusst, dass die Frage müßig war.
Auf dem obersten Treppenabsatz schoss Michael mit der Kamera über Lindas Schulter hinweg, während sie mit der Kalaschnikow eine Salve nach der anderen abfeuerte; auf diese Weise stellte er sicher, dass sie nicht im Bild war. Die Explosionen machten einen ohrenbetäubenden Lärm, und als sie aufhörten, beugten sie
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