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Der Professor

Titel: Der Professor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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ziehen könnten. Der Busbahnhof war ein Ort voller Spannungen; Michael hatte ein Gespür dafür, dass hier normale, unbescholtene Bürger und kriminelle Elemente aufeinandertrafen, zwei unvereinbare Welten allzu eng auf Tuchfühlung gingen. Er selbst gehörte allem Anschein nach zur unbescholtenen Sorte, eine gelungene Tarnung.
    Eine ganze Weile wartete er auf einem unbequemen Hartschalensessel aus rotem Plastik und trommelte nervös mit den Zehen, während er sich so lange bedeckt hielt, bis er sah, was er brauchte: drei Mädchen im College-Alter mit einem offenbar nicht sehr aufmerksamen Freund. Sie hatten alle Rucksäcke dabei und schienen sich aus der vorgerückten Stunde nichts zu machen. Andererseits sahen sie nach typischen Gutmenschen aus, die sich bemühen würden, das Richtige zu tun, wenn sie etwas fanden, das ihnen nicht gehörte. Sie würden es jemandem melden. Und genau das entsprach seiner Absicht.
Geheimnis über Geheimnis.
    Mit hochgeschlagenem Kragen und heruntergezogenem Hut, weil an dieser Stelle mit Sicherheit alles aufgezeichnet wurde, stellte er sich gemächlich hinter ihnen in die Schlange. Dieses verdammte Antiterrorgesetz, witzelte er innerlich angesichts der Überwachungswut. Nur dass man in Internetforen unschwer Beiträge finden konnte, die einem ziemlich präzise verrieten, wo sich die Dinger befanden und wie sie eingestellt waren. Er wartete, bis der Trupp College-Kids sich bis zum Schalter weiterschob, wo sich alle gleichzeitig von dem gestressten Fahrkartenverkäufer abfertigen ließen. Genau in diesem Moment griff er nach vorne und steckte heimlich die Visa-Karte in eine offene Seitentasche an einem der Rucksäcke.
    Taschenspielertrick,
dachte er,
eines Houdini würdig
. Darüber musste er grinsen, denn auf seine Art war das, was er und Linda fertiggebracht hatten, Magie:
Jennifer hat sich in Luft aufgelöst.
    An ihrer Stelle erschien, in Handschellen und Kapuze, ein Standbild von Nummer 4 in der Cyberwelt da draußen.

9
    A drian stand der Apothekerin gegenüber und sah ihr dabei zu, wie sie geschickt Pillen in Behälter füllte. Gelegentlich sah sie mit einem gequälten Lächeln zu ihm auf. Er merkte, dass sie sich einen Kommentar zu den Verschreibungen nur mühsam verkneifen konnte. Es war ein zögerlicher Blick, der ihm aus seinen Lehrveranstaltungen in Erinnerung war. Einen Moment lang fühlte er sich wieder wie ein Professor. Am liebsten hätte er sich über die Theke gelehnt und ihr zugeflüstert:
Ich weiß, was alle diese Pillen zu bedeuten haben, und ich weiß, dass Sie es ebenfalls wissen, aber ich habe keine Angst vor dem Sterben, nicht im Geringsten. Ich hab nur Angst davor, langsam, aber sicher zu versagen, und die da sollen mir helfen, den Prozess zu verlangsamen, auch wenn ich weiß, dass sie es höchstwahrscheinlich nicht tun.
    Das wollte er ihr gerne sagen, doch er tat es nicht. Die Apothekerin hatte ihm das wohl angesehen und missverstanden. Sie kam herüber.
    »Die sind wirklich teuer«, sagte sie, »sogar mit Beihilfe von Seiten der Universität. Tut mir wirklich leid.« Es war, als wollte sie ihm mit der Entschuldigung für die unerhörten Kosten der Medikamente eigentlich sagen, wie leid es ihr tue, dass er so krank war.
    »Das macht nichts«, sagte er und wollte etwas hinzufügen wie
Ich brauche sie sowieso nicht allzu lange,
doch auch das tat er nicht.
    Er kramte in seiner Brieftasche, reichte ihr eine Kreditkarte und sah, wie mehrere hundert Dollar abgebucht wurden. Ihm kam ein amüsanter Gedanke: Bezahl’s einfach nicht. Wollen doch mal sehen, wie die Halsabschneider versuchen, einen sabbernden, senilen Knacker abzukassieren, der nicht mal weiß, welchen Tag wir gerade haben, geschweige denn eine Kreditkartenbuchung hinkriegt.
    Adrian trug den Beutel mit den Medikamenten aus der Apotheke in einen strahlenden Vormittag. Er öffnete das Döschen und schüttete sich eine Tablette Exelon in die Hand. Es folgten eine Prozac und eine Namenda, die gegen die Verwirrung helfen sollten. Diese beiden brauchte er seiner Meinung nach noch nicht, auch wenn er einräumen musste, dass diese Einschätzung vielleicht genau das Symptom war, gegen das die Pillen helfen sollten.
    Er warf nur einen kurzen Blick auf die lange Liste unangenehmer Nebenwirkungen, die jedes der Mittel mit sich brachte. Egal, sie konnten kaum schlimmer sein als das, was ihn erwartete. Der Beutel enthielt auch ein Antipsychotikum, doch das Gläschen öffnete er nicht; einen Moment lang war er in

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