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Der Professor

Titel: Der Professor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Versuchung, es wegzuwerfen. Er schob sich die anderen Pillen in den Mund und schluckte angestrengt.
Ein Anfang,
sagte sich Adrian.
    »Also gut, das wäre ja nun erledigt. Kommen wir zum geschäftlichen Teil«, sagte sein Bruder forsch. »Wird Zeit, rauszufinden, wer Jennifer ist.«
    Adrian drehte sich langsam zu der Stimme um. »Hallo, Brian«, sagte er und verzog den Mund zu einem Lächeln. »Ich hatte gehofft, dass du früher oder später auftauchen würdest.«
    Brian hockte mit angezogenen Knien auf der Motorhaube von Adrians altem Volvo und rauchte eine Zigarette. Der Rauch stieg in den blauen Himmel über ihnen auf.
    Er trug einen verdreckten, abgewetzten, olivgrünen Tarnanzug, an dem lauter Blutspritzer zu erkennen waren. Seine Splitterschutzweste war zerrissen. Sein Helm lag zu seinen Füßen. In dicker schwarzer Tinte war ein Friedenssymbol darauf gemalt, auf der anderen Seite prangte ein Aufkleber mit der amerikanischen Flagge. Sein M-16 hatte er sich so zwischen die Beine geklemmt, dass er den Kolben mit den Kampfstiefeln festhielt. Brians Gesicht war schweißverschmiert und bleich. Er war dürr wie ein Gerippe und erst dreiundzwanzig Jahre alt. Er sah wie der Soldat aus, den Larry Burrows, kurz bevor er umkam, für das
Life Magazine
fotografiert hatte. Brian hatte es gerahmt auf dem Schreibtisch seines Büros aufgestellt, »zur Erinnerung«, hatte er Adrian einmal erklärt, ohne näher zu erläutern, woran. Das Bild befand sich zusammen mit vielen anderen persönlichen Gegenständen seines Bruders, einschließlich des Silver-Star-Ordens, von dem er keinem Menschen erzählt hatte, seit langem in einem verstaubten Karton in Adrians Keller.
    Unter Adrians Augen rutschte Brian in einer gequält langsamen Bewegung, als sei er erschöpft, von der Motorhaube. Doch schon als Kind hatte er sich in seiner Lässigkeit gefallen. Nie hatte er es eilig gehabt, selbst wenn es rings um ihn her drunter und drüber ging. Das hatte schon immer zu seinen besten Eigenschaften gehört – die Fähigkeit, den Durchblick zu bewahren, wenn andere in Panik gerieten, und Adrian hatte immer diese Ruhe geliebt, die von seinem Bruder ausging. Mit ihrem Altersunterschied von nur zwei Jahren hatte sich Adrian, komme, was da wolle, in ihrer ganzen Kindheit und Jugend immer an seinem Bruder orientiert.
    Wodurch Adrian sein Tod umso rätselhafter war.
    Brian schüttelte sich wie ein Hund, der unwillig aus dem Schlaf erwacht, und zeigte auf seinen rechten Arm, an dem er den Uniformärmel hochgekrempelt hatte, so dass nur noch ein einziges Abzeichen zu sehen war, der breite Querbalken und das Pferdekopfprofil der im Vietnamkrieg berüchtigten Infanterie-Division First Air Cavalry in Gelb und Schwarz. Brian streckte seine dünnen, muskulösen Arme und schlang sich die Waffe über die Schulter. Er blickte in die grelle Sonne und legte einen Moment die Hand über die Augen. »Universitätsstadt, Bruderherz«, sagte er. »Ein bisschen zahm, nicht wie Vietnam«, setzte er hinzu und rümpfte scherzhaft die Nase.
    Adrian schüttelte den Kopf. »Und auch nicht wie Harvard oder die Columbia Law School. Oder diese große Firma an der Wall Street, bei der du warst. Und auch nicht wie die Wohnung auf der Upper East Side, in der du …« Er sprach nicht weiter. »Tut mir leid«, sagte er hastig.
    Brian lachte. »Das und einiges mehr. Und tu dir keinen Zwang an. Wenn du mit mir darüber reden willst, wieso ich mich umgebracht habe – dafür bleibt uns noch reichlich Zeit. Aber jetzt liegt Arbeit an, wenn ich mich nicht täusche. Die Knochenarbeit kommt immer am Anfang jeder Ermittlung. Müssen vorankommen, solange alles noch ziemlich frisch ist. Bevor die Spur kalt wird. Ich glaube, du hast schon zu lange getrödelt. Hast du nicht gehört, was Cassie gesagt hat? Sie hat dir gesagt, dass du dich ranhalten sollst. Dann legen wir also mal los. Wird höchste Zeit.«
    »Ich weiß nicht so recht, wo ich anfangen soll. Es ist immer noch ziemlich …« Adrian verstummte.
    »Unheimlich? Verwirrend?« Sein Bruder unterbrach ihn mit einem Lachen. Er konnte lachen, wenn es um richtig ernste Dinge ging, so dass sie nur noch halb so beängstigend schienen. »Also, ich denke, die Pillen werden helfen. Uns den Schlamassel ein bisschen vom Hals halten, während wir sondieren, was wir wissen.«
    »Aber eigentlich weiß ich doch gar nichts …«
    Brian lächelte wieder. »Und ob. Musst es nur praktisch umsetzen. Konsequent dran arbeiten, jede Frage als ein Loch

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