Der Professor
schmunzelte er. Ihm wurde bewusst, dass Nummer 4 eine Gefangene ihrer aller Phantasien war.
Jennifer versuchte, sich gut zuzureden, indem sie sich daran erinnerte, dass sie ein paar Instinkte besaß, die ihr gewisse Stärken verliehen. Sie sagte sich, dass sie dreimal den Mut aufgebracht hatte wegzulaufen. Diese Chance blieb ihr auch jetzt, solange sie gegen den Sog ankämpfte, sich der Angst zu überlassen. Sie atmete langsam ein und aus, um sich zu beruhigen.
Sie berührte den Rahmen des Bettes. Unter dem Schwarz der Kapuze stellte sie sich einen Metallrahmen und eine Matratze vor. Darauf befand sich ein grobes Baumwolllaken – sie vermutete, es war weiß.
Also gut,
dachte sie.
Mal sehen, was wir berühren können.
Langsam streckte sie die Füße über die Bettkante und strich mit den Zehen über den Boden. Es war Zement, er fühlte sich kalt an den Fußsohlen an, wie ein Kellerboden.
Sie bewegte die Füße weiter, um zu sehen, ob sie auf Hindernisse stießen. Nein. Jennifer befahl sich aufzustehen und wiederholte die Order. Sie wollte hören, ob ihre Stimme noch funktionierte, und so sagte sie leise: »Komm schon, Mädchen. Du schaffst das.«
Die Worte zu hören, statt sie nur zu denken, machte ihr ein wenig Mut. Sie richtete sich auf.
Fast im selben Moment wurde ihr schwindelig. In der Kapuze drehte sich alles, als wäre das Schwarz vor ihren Augen plötzlich flüssig. Sie taumelte ein wenig und wäre fast aufs Bett zurück- oder auf den Zementboden gesackt. Doch wie ein Akrobat auf dem Hochseil fing sie sich; langsam hörte das Drehen in ihrem Kopf auf, und sie hatte eine gewisse Kontrolle über ihre schwachen Muskeln. Sie wünschte sich, stärker zu sein, wie ein paar von den Athleten an ihrer Schule, die so aufs Gewichtheben versessen waren.
Immer noch keuchend, machte sie einen zaghaften Schritt nach vorn. Dabei hielt sie die Hände vor sich. Sie fühlte nichts. Sie holte nach links und rechts aus und stieß an eine Wand. Sie drehte sich halb um und bewegte sich im Krebsgang an der Wand entlang, während sie die flachen Gipskartonplatten unter den Fingern spürte. Sie hörte ein Rasseln, was wohl besagte, dass die Kette an ihrem Hals sich straffte. Sie vermutete, dass sie gegen das Bettgestell schlug.
Sie stieß mit dem Knie gegen etwas Hartes und blieb stehen. Der starke Geruch nach Desinfektionsmitteln drang durch die Seidenhaube. Ganz behutsam griff sie hinunter und strich mit den Händen über den Gegenstand.
Sie brauchte ein paar Sekunden, um sich ein Bild von dem zu machen, woran er sie erinnerte, doch sie ertastete den Sitz und das Dreibein darunter. Es war eine mobile Toilette. Dass sie das erkannte, verdankte sie einem Zufall – als sie klein war, hatte ihr Vater sie zum Camping mitgenommen, und sie hatte hartnäckig herumgequengelt, weil sie in der freien Natur etwas so Primitives benutzen sollte. Jetzt war sie fast überglücklich. Ihr tat die Blase weh, und kaum hatte sie erkannt, was sich zu ihren Füßen befand, schossen ihr fordernde, stechende Schmerzen durch den Unterleib.
Sie rührte sich nicht. Sie hatte keine Ahnung, wer sie sehen konnte. Sie konnte nur vermuten, dass die Regeln die Benutzung der Toilette gestatteten. Sie wusste nicht, ob sie sich unbeobachtet fühlen konnte. Das Schamgefühl des jungen Mädchens war fast übermächtig. Ihr Sinn für Anstand lag im Widerstreit mit der Forderung der Natur. Sie hasste den Gedanken, dass jemand sie sehen konnte.
Ihr Unterleib stand Qualen aus. Sie begriff, dass ihr keine Wahl blieb. Sie hockte sich über den Sitz, zog sich mit einer einzigen zügigen Bewegung den Slip herunter und setzte sich hin.
Sie hasste jeden Moment, in dem sie sich erleichterte.
An den Bildschirmen über dem Raum, in dem Jennifer eingesperrt war, verfolgten Michael und Linda jeden ihrer Schritte. Die unbeholfenen, tastenden Bewegungen mit verbundenen Augen waren in ihrem Zeitlupentempo delikat. Sie konnten den Kitzel, den die Show dort in der Unterwelt ihren Zuschauern bescherte, fast mit Händen greifen. Ohne ein Wort zu wechseln, wussten sie beide, dass es für Hunderte zur Droge werden würde, Jennifer zuzusehen.
Und wie jeder gute Dealer hatten sie ein sicheres Gefühl dafür, das Angebot präzise auf die Nachfrage abzustimmen.
12
T erri Collins spähte zu dem alten Mann hinüber, der in der Ecke des Wohnzimmers saß, und dachte:
Wegen dem bin ich doch wohl nicht hergekommen.
Adrian Thomas rutschte unter ihren Augen verlegen hin und her. Die
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