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Der Professor

Titel: Der Professor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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jungen Männern aus dem Ersten Weltkrieg. Er griff danach und schlug sie an einer willkürlichen Seite auf. Sein Blick fiel auf Owens
Dulce et Decorum Est
. Er las: »Viele hatten keine Stiefel mehr/Und hinkten mit bloßen, blutigen Füßen weiter.« Ja, dachte er, das war er.
    Er las die Worte des Gedichts dreimal, dann schloss er die Augen und atmete tief ein. Das Erste war der Geruch. Dickflüssiges, schwarzes Öl, dazu ein rostiger Metallgeschmack auf der Zunge, rauchig und unglaublich heiß, als stünde die ganze Welt bei voll aufgedrehtem Gas auf dem Herd und wäre kurz vor dem Überkochen.
    Er hustete heftig. Bei geschlossenen Augen drang ihm ein so schrecklicher Gestank in die Nase, dass er sich fast übergeben musste. Wie im Schlaf befahl er sich, aufzuwachen, doch im nächsten Moment merkte er, wie sein ganzer Körper nach vorne taumelte, dann wieder nach hinten sackte, während er zugleich ein Knirschen hörte, welches das Dröhnen und Heulen des Motors übertönte. Plötzlich wurde er auf seinem Sitz in die Höhe geworfen, als befänden sie sich auf stürmischer See, und auf der Suche nach irgendeinem Halt griff er ins Leere. Im selben Moment hörte er neben sich, direkt an seinem Ohr, eine so vertraute Stimme, dass sie ihm wie Musik geklungen hätte, wären da nicht der schreckliche Geruch, der betäubende Lärm und das Schaukeln und Rütteln gewesen.
    »Halt dich fest, Dad, es wird noch um einiges schlimmer.« Adrian riss die Augen auf. Er saß nicht mehr an seinem Schreibtisch, inmitten von Büchern und Papieren, Bildern und Gedichten, während er seinen Erinnerungen nachhing. Vielmehr wurde er auf dem Rücksitz eines Humvee durchgeschüttelt.
    Es gab ein schepperndes Geräusch, und der Motor zog an. Er drehte sich zu der Person auf dem Sitz neben ihm um. »Tommy!« Er hatte wohl nach Luft geschnappt, denn sein Sohn lachte laut, während er mit der einen Hand einen Griff am Wagendach umklammerte und mit der anderen seine Kamera ruhig zu halten versuchte. Sein schwarzer Kevlar-Helm glitt ihm fast über die Augen herunter. Seine marineblaue Flak-Jacke war ihm zum Hals hochgerutscht. Er sah jung aus, fand Adrian. Und schön.
    »Ich muss schnell reden, Dad, wir sind bald an der Stelle, an der ich sterbe.«
    Vom Vordersitz aus warf der Fahrer – ein junger Marine in khakifarbenem Tarnanzug und dunkler Wraparound-Sonnenbrille – ein paar bittere Bemerkungen über die Schulter. »Scheißsprengladung im Sand vergraben. Unmöglich, die zu sehen. Wir waren von vornherein am Arsch. Falludscha am Arsch.«
    Das war wohl als Witz gemeint, denn es folgte angespanntes Gelächter. Adrian sah sich zu den anderen Marines um, die auf dem hintersten Sitz eingepfercht waren. Sie starrten, die Waffen im Anschlag, aus den Fenstern in die abweisende, sandfarbene Landschaft und nickten stumm. »Wenn das nicht die ideale Stelle für einen Scheißhinterhalt ist …«, sagte einer von ihnen. Adrian konnte sein Gesicht nicht sehen, doch sein Ton war zugleich schroff und fatalistisch, als wüsste er, dass niemand etwas an dem ändern konnte, was im nächsten Moment passieren würde.
    Der Schütze, der das aus dem Dach ragende Gewehr Kaliber 50 bediente, beugte sich vor. Er war höchstens einundzwanzig Jahre alt und lachte hinter seiner sandverkrusteten Schutzbrille und mit dreckverschmierten Zähnen. »Wir hätten uns auf diese Mission nie einlassen sollen«, brüllte er gegen das Motorengeräusch und den Wind an, der durch die offenen Fenster peitschte. »Das roch vom ersten Kilometer an nach Ärger.«
    Auf dem Todessitz vorne legte mit ungerührtem Blick ein schwarzer Lieutenant den Hörer des Funkgeräts hin und drehte sich zu dem Trupp hinter ihm um. »Halten Sie die Klappe!«, befahl er streng. »Hören Sie, nicht jeder hier beißt ins Gras. Sie, Masters, und Sie, Mitchell, marschieren hier mit ein paar Schrammen und einer blutigen Nase raus. Und Sie, Simms, ziemlicher Mist, das mit Ihren Beinen, aber Sie überleben’s und können mit dem großen Vogel nach Hause fliegen. Und wir machen einen ganzen verfluchten Haufen Sandneger platt, weil ich noch Luftunterstützung anfordere, bevor ich abgefackelt werde, also hören Sie gefälligst auf zu jammern.«
    Plötzlich hellte sich die Miene des Lieutenants auf, und ein Grinsen legte sich über sein Gesicht, während er auf Tommy zeigte. »Und unser Zeitungsjunge hier verhilft uns armen Ärschen zu ewigem Ruhm, hab ich recht, Tommy?«
    Tommy grinste. »Gebongt«, sagte

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