Der Profi
Seine König liche Hoheit davon erfährt, hast du ein ernstes Problem. Obwohl, wenn man es sich genauer überlegt, ist es eine Gelegenheit, die sich einem so schnell nicht wieder bietet. Es ist ja nicht so, dass ich deinen Verführungskünsten misstraue, aber hast du dir schon einen Plan zurechtgelegt? So etwas verlangt nach einer klaren und entschiedenen Strategie, mon ami : Was ziehst du an? Welche Körpersprache benutzt du? Über welche Themen unterhältst du dich mit ihr? Später, falls nötig, improvisierst du, jedenfalls kannst du nicht einfach so zum Rendezvous mit einer Göttin erscheinen.«
Natürlich hatte Fuad seinem Freund noch nicht von dem überraschenden Auftrag erzählt, den er erhalten hatte. Er verriet ihm auch nichts über die geheimen Treffen mit Zabaleta und über dessen Verschwiegenheit und Geheimniskrämerei. All das hob sich Fuad für eine andere Gelegenheit auf.
Bevor er die Treppe hinunterging, die in die Pizzeria führte, verkroch er sich in einem ziemlich nutzlosen Versuch, seine äußere Erscheinung aufzubessern, noch schnell auf der Toilette. Er strich sich das Haar glatt, knotete seine Krawatte fünf Mal auf und zu, bis sich das Ende auf der Höhe des Gürtels befand und der Knoten die richtige Größe hatte. Dann atmete er tief durch und begab sich mit heftigem Kribbeln im Bauch zum Tisch.
Ein Kellner begleitete Fuad an seinen Platz. Dann brachte er ihm Grissini und eine Flasche Mineralwasser und überließ ihn seinem Schicksal und dem Warten auf Barbara. Sie kam, wie es sich für höhere Wesen gehört, eine Viertelstunde zu spät. Strahlendes Lachen auf dem Gesicht, Küsschen auf die Wange und die passende Ausrede im Gepäck. Ihr Outfit war hart an der Grenze zwischen der vom Unternehmen vorgeschriebenen Etikette und unbekümmerter Sinnlichkeit: Unter ihrem schwarzen Blazer trug sie ein schwarzes Seidenhemdchen, das gefährlich weit aufgeknöpft war. Knallenge Hose, die ihre Waden nur zur Hälfte bedeckte und perfekte Fußknöchel zum Vorschein brachte. Dazu hochhackige Schuhe. Ihr Parfum enthielt einen Hauch von Jasmin. Es passte hervorragend zu ihr, so als wäre es eigens für sie kreiert worden. Ihre blonde Mähne trug sie offen, und von Zeit zu Zeit blitzten unter ihren Haaren zwei Perlenohrringe hervor. Sie hatte sich offensichtlich kurz zuvor Lippenstift aufgetragen: Ihre Lippen schimmerten feucht im Licht. Ihre glasklaren Augen lächelten ihrem Gegenüber auf kokette Art zu. Fuad verschluckte sich fast an seinem Brot.
»Ich hoffe, dass dir das Warten nicht allzu lange geworden ist. Ich konnte nicht früher los, du weißt ja, dieses neue Projekt, das gerade reingekommen ist. Ich bin in das Arbeitsteam aufgenommen worden …«
»Mach dir keine Sorgen«, stammelte Fuad. Unter der rot-weiß karierten Papiertischdecke zwickte er sich mehrmals ins eigene Bein.
»Ich hab dich heute Morgen gar nicht im Büro gesehen«, sagte Barbara, während sie eine eindrucksvolle Handtasche auf den Tisch legte.
Tatsächlich hatte Fuad fast den ganzen Vormittag mit Eleuterio Zabaleta verbracht, um mit ihm, wie jeden Tag, über den Fortgang des Projekts MHI -Pink Palace zu sprechen. Fuad hatte deshalb schon nächtelang nicht mehr geschlafen. In größter Sorge wachte er, von Albträumen gequält, nachts auf, weil er glaubte, dass sich die Kompli kationen und Schwierigkeiten des Projekts gegen ihn wenden und ihn am Ende erbarmungslos scheitern las sen könnten. Auch die Tatsache, dass Don Eleuterio da rauf bestand, niemand außer Fuad dürfe etwas von der Existenz von Moscow Hotel Investments wissen, war zutiefst beunruhigend. Dazu kam noch die streng geheime Atmosphäre, in der sich ihre vormittäglichen Treffen abspielten, die offensichtliche Nervosität des obersten Chefs, das Fehlen eines professionellen Arbeitsteams und einer klaren Planung (Fuad wies seinen Vorgesetzten bei jedem Treffen darauf hin) sowie die unlautere Natur des Geschäfts. Zwar hatte Fuad keine große Erfahrung in diesem Sektor, aber ihm war klar, dass hier etwas nicht stimmte.
In dieser Gemütsverfassung hatte sich Fuad also an diesem Vormittag mit Zabaleta getroffen. Sie waren noch einmal alle Unterlagen durchgegangen, über die sie zu die sem Zeitpunkt verfügten. Das heißt die, die Gagarins Finanzexperte zusammengetragen und die ich den beiden anschließend übergeben hatte. Die herkömmliche Arbeitsmethodik für ein solches Kaufprojekt waren: eine genaue Finanzanalyse des Vorgangs, ein Clearing von Firmenvermögen,
Weitere Kostenlose Bücher