Der Profi
sie sich an mich. Warum hatte sie sich nur von den Ratschlägen eines Mafiasöldners beeinflussen lassen? Vielleicht war es noch nicht zu spät, sich Jarrete anzuvertrauen. Aber: Wenn tatsächlich ein Beamter der Kripo in die Morde verstrickt war … Sie erwartete ungeduldig Valls’ Rückkehr. Ohne ihn war sie aufgeschmissen. Nach Timofeews Tod wies alles darauf hin, dass Apolinar Estilo der Mörder war. Aber welche Rolle spielte dann der korrupte Kripobeamte, den Corsini erwähnt hatte?
Am Abend fuhr sie in die Klinik 12 de Octubre. Doch sie wurde nicht zu Kommissar Román Valls vorgelassen. Sein Zustand war nach Auskunft der Ärzte äußerst kritisch. Die Explosion der Magnetbombe hatte ihm eine Lungenquetschung beschert.
Ich selbst rief nach Timos Tod als Erstes Inspektor Moraguer an. Wie immer antwortete er mir in seinem mürrischen Tonfall und mit seiner charakteristischen rauen Stimme. Ohne lange um den heißen Brei herumzureden, bat ich ihn um Informationen zum Fortgang der Ermittlungen. Er rief mir zuerst seine maßlosen Honorarforderungen ins Gedächtnis. Es sei noch zu früh, um Genaueres zu sagen, aber er versicherte mir, sich bei mir zu melden, sobald er mehr wusste. Wie jedes Mal würzte er unsere Unterhaltung mit groben Einschüchterungsversuchen.
Bevor Boris Iwanowitsch Tertschenko etwas von Drit ten erfuhr, kontaktierte ich ihn. Als er zum Hörer griff, war er bei bester Laune, sie wurde im Laufe unseres Gesprächs jedoch zunehmend schlechter.
» Pizda ! Noch ein Toter! Mudack , bliad , zhopa . Lucca? Chiert !«
Ich ließ ihn zuerst sein Beleidigungsarsenal verpulvern.
»Hör zu, Boris! Jemand hatte eine Magnetbombe an Timos Wagen befestigt. Die Polizei hat keinen Schimmer.« In diesem Punkt lag ich allerdings daneben. Denn sie hatten bereits Apolinar Estilos Namen. »Und ich tappe genauso im Dunkeln, Boris.«
»Lucca, ist mir egal. Du musst Problem lösen!«
Boris Iwanowitsch gehört nicht zu der Sorte Mensch, die bei schwierigen oder unmöglichen Situationen Verständnis aufbringt. Er erteilt die Anweisungen und erwartet, dass seine Leute die Probleme lösen. Ausreden gelten nicht.
»Boris, ich stecke mitten in den Ermittlungen …«
»Zu langsam, Lucca, zu langsam …«
Dann herrschte Schweigen in der Leitung.
»Brauchst du Hilfe?«
»Nein, Boris!«
» Da , Lucca. Du bist number one ! Aber schnell, schnell! Ah … nächste Woche ist Konferenz in Moskau über Pink Palace . Wann kommt Bericht? Dauert auch zu lange!«
Ich atmete tief durch.
»Du bekommst ihn pünktlich zur Konferenz, Boris. Mach dir keine Sorgen.«
Die Dinge liefen nicht gut: Die vory starben mir weg wie die Fliegen. (Ich fragte mich bereits, ob ich den Mörder tatsächlich einkreiste oder ob ich mich nicht im Gegenteil immer weiter von ihm entfernte.) Und der Bericht zu Pink Palace war auch noch nicht fertig. Also rief ich umgehend Zabaleta an, damit er, was die besagten Unterlagen anging, ein bisschen Dampf machte. Als ich ihn in seinem Büro aufsuchen wollte, weigerte er sich. Zum Schluss gab ich nach, und wir verabredeten uns in der Lobby des Hotel Intercontinental am Paseo de la Castellana. Um sechs Uhr abends.
Apolinar Estilo marschierte, die Hände tief in den Manteltaschen vergraben, über die Madrider Gran Vía. Um ihn herum trotteten ausländische Touristen nach einem marathonhaften Tag im Prado-Museum, beschienen von den letzten Sonnenstrahlen des Tages, in ihre Hotels zurück, gefolgt von einem ganzen Tross Taschendiebe. Daneben die ewigen Nutten aus der Calle Montera samt ihren Zuhältern, Aktentaschen schwingende Vertreter, die über die Avenida flanierten, und kesse Lolitas, die ihre kümmerlichen Ersparnisse in Läden mit ohrenbetäubendem Hip-Hop-Gedröhn ausgaben. Apolinar schob sich die Mütze zurecht und blieb stehen, um sich eine Zigarette anzuzünden. Er formte seine Hände zu einer Schale: Die Flamme des Feuerzeugs ließ für kurze Zeit eine hässliche Narbe in seinem Gesicht aufblitzen. Ein Rauchschwade hüllte seinen Kopf ein.
Eine Gruppe Halbstarker kam aus einem nahe gelegenen Burger King gerannt. Sie stießen frontal mit Apolinar zusammen. Kein Wort der Entschuldigung, wilde Schreie, dann flitzten sie die Straße aufwärts davon. Apolinar sah rot. Er stand kurz davor, die Waffe zu zücken und hinter den Jugendlichen herzurennen. Aber der Sicherheitsmann aus dem Burger King stahl ihm die Show und nahm unter lautem Geschrei (»Haltet die Diebe!«) die Fährte der Jungs auf. Pah! Das waren
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