Der Profi
Also ich möchte nicht der Nächste sein, der mit einem Genickschuss tot im Manzanares-Fluss treibt.«
Marcial raufte sich energisch die Haare.
»Dann schlag du doch vor, was wir machen sollen.«
»Am besten, ich kehre wieder nach Ceuta zurück. Dort gibt’s ebenfalls eine Mafia erster Güteklasse. Die Towaritschs . Nutten, Drogen und Kalaschnikows. Machst du irgendeinen Blödsinn oder kommst jemandem von ihnen in die Quere, reißen sie dir die Eier ab.« Fuad verzog das Gesicht: »Mit der Kneifzange.«
Der Kellner, der etwas von seinem Geschäft verstand, stellte ihnen Salzgebäck hin, damit beide noch größeren Durst bekamen. Danach brachte er weitere Drinks.
»Ceuta? Kommt nicht in Frage!«, deklamierte Marcial zwischen einem Drink und dem anderen. »Das erledigen wir zu zweit! Wir müssen schnell eine Entscheidung treffen. Auf keinen Fall dürfen wir noch mehr Zeit verlieren, denn irgendwann ist es definitiv zu spät. Ich finde, wir sollten gleich morgen mit Barras reden. Warum sollten wir für so was die gesamte Verantwortung übernehmen? Das Problem liegt letztlich bei Zabaleta. Wir sind nur Juniorberater.«
Da musste ihm Fuad zustimmen.
Am Ende waren sie sturzhagelvoll. In dieser Nacht hatten sie mehr Alkohol als gewöhnlich benötigt. Am nächsten Tag wollten sie sich so früh wie möglich treffen.
Das Klingeln des Telefons riss Fuad aus seinen Gedanken. Schwerfällig stand er vom Boden des Badezimmers auf. Er hatte noch immer die Klamotten vom Vorabend am Leib. Außerdem roch er nach fünfunddreißigprozentigem schottischem Whisky. Sein Mund fühlte sich breiig an, als hätte er eine Mischung aus Kohle und Honig ver schluckt. Zuerst eine heiße Dusche. Danach würde er sich mit Marcial treffen, um Zabaletas Vize, Andrés Barras, aufzusuchen. Natürlich würde er dadurch Zabaletas Gunst und mit Sicherheit auch Barbaras Interesse verlieren, aber die Angelegenheit begann ihm langsam aus den Fingern zu gleiten.
»Ja bitte«, meldete sich Fuad heiser. Eigentlich hatte er Marcials Stimme am anderen Ende der Leitung erwartet.
»Guten Tag, Fuad! Hier Lucca Corsini. Wir haben uns im Hotel Intercontinental Castellana kennengelernt. Sie erinnern sich?«
Wie im Reflex legte Fuad wieder auf. Sein Rücken glitt an den Wandfliesen des Badezimmers hinab. Er merkte, wie er nach Luft schnappte und wie langsam Übelkeit in ihm hochstieg. Er schloss die Augen.
Ich wählte erneut Fuads Nummer.
Es dauerte eine ganze Weile, schließlich hob er ab.
»Fuad, unser Gespräch wurde unterbrochen …«, bemerkte ich. »Unter Umständen hast du ein Problem mit deiner Telefonleitung?«
»Was wollen Sie?«
»Wir hatten uns doch verabredet, den Besitzern des Pink Palace einen kleinen Besuch abzustatten. Schon vergessen?«
Fuads Hände und Stimme zitterten.
»Ja … ja natürlich. Aber … heute geht es nicht!«
»Warum?«
»Ein wichtiges Meeting im Büro …«
»Dann lass es einfach ausfallen!«
»Völlig unmöglich.«
»Keine Sorge, ich spreche mit Zabaleta.«
»Nein!«
Der junge Consulter war schlauer als vermutet. Er hatte inzwischen die wahre Identität seines neuen Kunden herausgefunden. Aber ich konnte unmöglich noch mehr Zeit verlieren. Boris Iwanowitsch hatte, die vorbereitenden Berichte betreffend, bereits enormen Druck auf mich ausgeübt.
Da musste ich an die Zeit denken, als ich so alt war wie Fuad und zum ersten Mal mit einer völlig unberechenbaren Welt konfrontiert wurde, schonungslos und voller Gewalt. Damals begann ich für die Italomafia in Las Vegas zu arbeiten und unterstand der Befehlsgewalt der capi piú importanti della cittá . Dort lernte ich Toni Ameise Spilotro, Don Angelini und Frank Lefty Rosenthal kennen. Was für eine Zeit! Ich war ein Teil der Maschinerie, und obwohl ich manchmal um mein Leben fürchtete, habe ich mich nie wieder so lebendig gefühlt wie damals.
»Ich verstehe deine Skrupel ja, Fuad … Aber jetzt hör mir mal zu: Ich brauche deine Hilfe noch ein paar Tage. Bald findet in Moskau die Konferenz zum Thema Pink Palace statt, danach bist du uns los. Den Rest erledigen die Russen selbst, für dich bleibt es eine Anekdote, die du irgendwann mal deinen Kindern erzählen kannst. Aber du solltest natürlich versuchen am Leben zu bleiben, nur so kannst du auch Kinder haben! Mach jetzt also besser keine Fehler.«
Das hörte sich vielleicht etwas melodramatisch an, aber es war effektiv. Fuad seufzte laut auf. Er musste erst wieder zu Luft
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