Der Profi
gewidmet. Es war offensichtlich, dass es eine völlig neue Erfahrung für ihn war, sich morgens an einem Arbeitsplatz einzufinden.
Er war bereits weit in den Dreißigern. Sein spärliches Haar hatte er mit Pomade an den Schädel geklebt. Er trug eine runde Brille, wirkte verweichlicht und ungewaschen und atmete so mühsam wie jemand, der zu viele Kilo auf dem Buckel hat. Er war mir auf den ersten Blick unsympathisch.
Fuad sah sich mit einer gewissen Abscheu im Raum um. Er war zum ersten Mal in einem Puff, und es bereitete ihm kein Vergnügen. In wenigen Stunden würden sich um uns herum sämtliche Zimmer mit Mädchen füllen, mit denen sich später Lkw -Fahrer, Geschäftsleute, Vertreter, kaufmännische Angestellte und Studenten vergnügten. Fuad schauerte es bei dem Gedanken. Niemals würde er seiner Familie beichten, wo er sich aufgehalten hatte.
»Ach, Señor Corsini …«, sagte Palacios, während er sich erhob. Seine Stimme klang feindselig. Er streckte mir unterkühlt die Hand entgegen und meinte: »Also, kommen wir zum Thema. Sie möchten für Ihre Käufer Informationen über unser Geschäft haben, richtig?«
»Genauso ist es. Das hier ist Señor Gómez. Er wird die vorbereitenden Berichte für den Aufkauf anfertigen.«
Palacios würdigte Fuad keines Blickes. Dann verschränkte er die Arme über der Brust.
»Unsere Kette ist die rentabelste, die Sie auf der gesamten iberischen Halbinsel finden! Über hundertfünfzig Etablisse ments mit korrekter Buchführung und gemeinsamer Datenbank. Mein Vater hat das Unternehmen aufgebaut, hier hat alles hat Hand und Fuß.«
»Meinen Glückwunsch …«, erwiderte ich.
Der Juniorchef verzog das Gesicht zu einer verdrießlichen Grimasse.
»Wie Sie bestimmt wissen – gesetzt den Fall, Ihre Bosse haben Sie darüber informiert –, betrachte ich Ihr finanzielles Angebot als vollkommen inakzeptabel. Ich hoffe, Ihr Besuch heute trägt dazu bei, dass Sie begreifen, dass Pink Palace viel mehr Geld wert ist. Wenn Sie den Preis nicht erhöhen, weigere ich mich, weiter mit Ihnen zu verhandeln. Verstehen Sie?«
Ich hielt es für klüger, auf seine Worte nicht weiter einzugehen.
»Ich gebe Ihnen zwei Tage, um unsere Geschäftsbilanzen zu prüfen, mein Buchhalter wird die ganze Zeit dabei sein.«
In diesem Moment steckte ich mir eine Zigarette an.
»In meinem Büro ist Rauchen strikt untersagt«, versetzte Palacios.
Ich ließ die blauen Schwaden langsam durch meine Lippen nach außen dringen.
»Señor Palacios, wir werden Ihre Bilanzen so lange prüfen, wie wir es für nötig halten, und wir brauchen dabei niemanden, der uns kontrolliert. Also bitte, beruhigen Sie sich! Sie verhandeln hier nicht mit einer Schweizer Notenbank …«
»Señor Corsini, Ihr Auftreten missfällt mir«, entgegnete Palacios, aber aus seinen Augen sprach Feigheit.
»Mir ist relativ egal, was Sie von mir halten«, antwortete ich. »Sie haben was zu verkaufen, und meine Bosse wollen es kaufen. Also lassen wir doch das Geld sprechen und vertragen wir uns.«
Fuad neben mir war wie erstarrt.
»Gut«, sagte Palacios nach einer Weile. »Was wollen Sie?«
»Eine bessere Welt«, antwortete ich. »Quatsch! In Wahrheit will ich ein Rendezvous mit Penélope Cruz und außerdem alle Geschäftsdaten, die mein Kollege hier von Ihnen verlangen wird.«
Als ich ihn als meinen Kollegen bezeichnete, zuckte Fuad zusammen.
»Welche Geschäftsdaten?«
Ich blickte schnell zu Fuad. Dann begann dieser mit stockender Stimme seine Aufzählung:
»Die vollständige Buchhaltung, Strategieplan, Tagesergebnisse …«
Palacios ließ ihn ausreden. Dann gab er einen Stoßseufzer von sich und rief jemanden aus dem Büro nebenan herein. Ein hagerer Mann mit gelblichem Teint erschien.
»Das ist Amadeo, unser Buchhalter. Amadeo, kümmere dich um alles, was die Herren brauchen«, wies Palacios ihn an.
Wir arbeiteten den ganzen Nachmittag in dem kleinen Büro des Pink Palace . Auf meinen Wunsch brachte man uns zwischendurch ein paar Sandwiches. Gegen sieben Uhr klappten wir die Bücher zu. Palacios selbst zog es vor, nicht mit von der Partie zu sein. Sein Buchhalter arbeitete gut mit uns zusammen. Fuad sammelte eine große Menge an Daten: Gewinn- und Verlustrechnung des Un ternehmens, Lieferanten (Getränke, Reinigungsmittel, Präservative), Schuldner- und Gläubigerlisten, Sachanlagevermögen. Anschließend legte er noch weitere Dateien an, von denen ich nicht wusste, wozu sie eigentlich dienten. Tatsächlich schien das
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