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Der Profi

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Titel: Der Profi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fernando S. Llobera
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unterrichtete sie, dass sie mich in einer Pension finden würden, in der ich für die Nacht ein Zimmer gemietet hatte. Eine bescheidene Bleibe, die den Vorteil hatte, dass sie mir totale Diskretion bot, und in die ich mich schon das ein oder andere Mal zurückgezogen hatte, wenn mir Anonymität wichtiger war als Bequemlichkeit. Niemand, der mich kennt, würde mich in einem solchen Drecksloch suchen. Mein Apartment an der Plaza de Oriente dagegen wäre in die sem Augenblick ein lebensgefährlicher Aufenthaltsort gewesen.
    In dieser Nacht gelang es Barbara nicht, Andrés Barras an die Strippe zu kriegen. Schließlich schickte sie ihm mehrere SMS -Nachrichten aufs Handy: »Melde dich sofort«, schrieb sie, »du wirst nicht glauben, was ich entdeckt habe!«

Der Whiskey lief goldschimmernd aus der Flasche – Uisce beatha nannten ihn die Iren im 12. Jahrhundert. Was so viel bedeutet wie »Wasser des Lebens«. Mir kam in diesem Moment so ziemlich alles gelegen, was mir helfen konnte, mein Leben aufzuheitern.
    Cruz hatte sich neben mir in einen zerschlissenen Sessel fallen lassen. Sie zitterte am ganzen Körper. Bei jedem Schauer, der sie durchzuckte, klirrten die Eiswürfel in ihrem Glas. Das war zu erwarten gewesen: In dem Moment, in dem das Adrenalin aus dem Körper verschwindet, kommt es zu dieser Reaktion. Sie presste die Lippen zusammen und drehte den Kopf langsam von einer Seite zur anderen. Die Tatsache, dass die eigenen Leute einen umbringen wollen, ist nur schwer fassbar. Ich kann es gut nachvollziehen, obwohl ich niemals irgendwem vertraut habe. Es war nur eine Frage der Zeit, bis in Cruz die ersten Rachegedanken aufsteigen würden.
    »Probier das hier, Hilfskommissarin! Es wird dir guttun …«
    Ihr Blick kehrte aus der Versenkung zurück, sie schlürfte an ihrem Whiskeyglas. Dann seufzte sie tief. Anschließend trank sie das Glas in einem Zug aus und streckte es mir entgegen, damit ich es erneut auffüllte.
    »Vor ein paar Monaten habe ich auf Mallorca einen Jungen erschossen …«
    Ihre Stimme war kaum zu hören, ein Flüstern, das sich in den Hintergrundgeräuschen und dem Lärm der Großstadt verlor. Ich schenkte uns beiden nach. Dann machte ich es mir wieder auf der Matratze bequem. Cruz saß in dem einzigen Sessel, den es im Raum gab, einem aus geleierten Exemplar voller Flecken, die von all den Generationen verlorener Seelen stammten, die einmal im Zimmer Nummer 15 jener Pension in der Madrider Innenstadt abgestiegen waren. In dem schmierigen Waschbecken des Bads hatte ich eine Tüte mit Eiswürfeln abgestellt. Ich hatte sie zuvor zusammen mit dem Whiskey und den Zigaretten beim chinesischen Krämer besorgt. Die Besitzerin hatte über mein verunstaltetes Gesicht mit der Gleichgültigkeit oder der Vorsicht von Menschen hinweggesehen, die es gewohnt sind, sich in einem fremden Land nicht in Probleme zu verwickeln. Das Eis im Becken taute langsam auf – ein passendes Symbol für unsere Situation: Unsere Zeit neigte sich dem Ende zu, und wenn es so weit war, würden auch wir in ähnlicher Weise wie das Eis im Abfluss verschwinden.
    Ich machte es mir, so gut ich eben konnte, auf dem Bett be quem. Zum Whiskey schluckte ich zwei Paracetamol- Tabletten, um den dumpfen Schmerz, der meine Schulter quälte, zu lindern. Ich wollte Cruz auf gar keinen Fall zu persönlichen Geständnissen zwingen. Wenn sie mir gegenüber etwas loswerden wollte, würde sie es mir schon von selbst erzählen. Viele Minuten waren der Lärm der nahe gelegenen Gran Vía, das Hupen der Autos, die vor beiziehenden Menschenmengen und das Schnarchen unserer Zimmernachbarn das Einzige, was man hören konnte.
    »Wir ermittelten gerade in einem Mordfall, und es ging in keiner Richtung voran. Die Sache stand in direktem Zusammenhang mit deinen russischen Freunden auf Mallorca …«
    Bevor sie den Becher an die Lippen führte, lächelte Cruz mich verbittert an:
    »In Wirklichkeit machten wir bei der Ermittlung sogar Rückschritte … Es waren schon Wochen vergangen, aber wir hatten so gut wie nichts in der Hand. Kein Indiz, nicht eine einzige Spur. Wir wurden von der Presse als Versager abgestempelt, die Kollegen machten sich über uns lustig, und unsere Vorgesetzten übten Druck auf uns aus. Da beschlossen wir, uns noch einmal unter unseren Informanten und den Kleingaunern in Palma umzuhören. Eines Abends war ich während der Nachtschicht in einem Industriegebiet auf Patrouille. Ich suchte nach einem verdächtigen Subjekt, das wir bereits kannten

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