Der Profi
holen. Wir konnten uns schließlich nicht die ganze Nacht von Whiskey und Zigaretten ernähren. Während wir eng aneinandergeschmiegt, aber vollständig bekleidet im Bett lagen und die Morgendämmerung abwarteten, entwickelte sich das Schweigen zwischen uns zu einer Mauer, die uns davor bewahrte, eine entmutigende Analyse unserer aktuellen Lage vorzunehmen. Am Ende blieb uns aber keine andere Wahl, als den gordi schen Knoten zu zerschlagen und nach einer Lösung für uns alle zu suchen. Ich hatte es am leichtesten: Ich konnte von der Bildfläche verschwinden und in meinem Südseeparadies untertauchen; mit der Zeit wäre ich dann für Staatsanwälte und Richter nur noch eine ferne Erinnerung. Für Cruz und Fuad war es nicht ganz so einfach. Ich überlegte mir, sie ihrem Schicksal zu überlassen. Aber es schoss mir auch durch den Kopf, sie auf meine Pazifikinsel mitzunehmen … Verdammt, was für Gedanken waren das bloß! Ich entwickelte mich langsam zu einem richtigen Weichei.
Meine Mission war an dieser Stelle zu Ende: Ich hatte die Identität des Mörders der vory aufgedeckt und auch die von dessen Auftraggeber. Apolinar Estilo und Palacios waren tot, und Jarrete war entlarvt.
Als ich später Boris Iwanowitsch kontaktierte, erwischte ich ihn bei bester Laune. Ich schilderte ihm, dass Palacios’ Habgier der wahre Grund für die Morde gewesen sei, weil er an jemand anderen verkaufen wollte, der ihm viel mehr Geld für Pink Palace geboten hatte. Da begann Boris zu philosophieren:
» Lukasha , an Geld haftet Geruch von Verwesung. Lebt Palacios noch?«
»Nein, Boris. Er ist tot.«
Dann fügte ich an:
»Hätte Gagarin Palacios’ Vater nicht umgebracht, wäre es wahrscheinlich nie zu den Morden gekommen …«
»Du hast Recht, Lukasha ! So macht man keine Geschäfte! Vater von Palacios zu töten war Schnapsidee. Gagarin ist mudack . Es wäre besser gewesen, Frau von Vater zu entführen!«
»Aha«, sagte Cruz irgendwann. »Du sagst, wir schweben alle in Lebensgefahr. Aber der große Corsini wirft als Erster das Handtuch!«
Diese Kritik hatte ich verdient.
»Also gut«, räumte ich ein. »Jarrete sammelt und fälscht in diesem Augenblick Tonnen von Beweisen gegen uns. Er hat die Zeit und genug Erfahrung, um gründlich zu arbeiten.«
»Er wird nichts beweisen können«, sagte Cruz. Ein Lächeln huschte über meine noch immer geschwollenen Lippen.
» Beweisen ?Was heißt hier beweisen? Jarrete ist ein hohes Tier innerhalb der UDYCO , er ist ein mit Orden behängter Vollprofi, ein vorbildlicher Familienvater, ein gerechter Vorgesetzter und seinen Freunden ein verlässlicher Freund. Mit anderen Worten: Er ist eine Stütze unserer Gesellschaft! Ich dagegen, was bin ich? Ein ehrloser Söldner mit einer Verbrechensliste so lang wie eine Rede von Fidel Castro. Außerdem glaube ich nicht, dass Jarrete die Absicht hat, mich je vor Gericht zu bringen. Eher schießt er mir eine Kugel in den Kopf und holt sich anschließend einen Orden dafür ab!«
»Du könntest fliehen …«
Ich nickte.
»Richtig.«
»Aber sie würden dich bis ans Ende der Welt verfolgen!«
»Nein … wäre viel zu aufwendig. Sie würden mich jedenfalls nicht finden.«
»Verstehe.«
Sie wirkte nicht besonders überzeugt:
»Du machst wohl Witze! Ich kann ganz gut auf mich selbst aufpassen.«
Dann fuhr ich fort: »Ach, und dich werden sie natürlich auch beschuldigen. Der Wachmann, der immer an der Einfahrt der Wohnanlage sitzt, wird dich identifizieren. Außerdem sind deine Fingerabdrücke in Palacios’ Wohnung verstreut. Sie werden die Anrufe von deinem Handy an mein Handy finden. Den Rest denken sie sich einfach aus. Sie werden einen Kreuzzug gegen dich führen …«
»Mann, Corsini! Du verstehst es glänzend, einen zu motivieren.«
»Es ist schlicht und einfach die Realität …«
Ich ließ ein paar Sekunden verstreichen. Manchmal ist es nötig, die Menschen ein wenig in die Ecke zu drängen, bevor man ihnen die radikalste Lösung für eine unmögliche Frage vorschlägt; man muss sie erst an ihre eigenen Grenzen bringen, um ihnen das Licht am Ende des Tunnels zu zeigen.
»Es sei denn …«
Sie sah mich an, ohne mit der Wimper zu zucken. Dann führte sie wieder ihr Whiskeyglas zum Mund und nahm einen Schluck, ohne den Blick von mir abzuwenden.
»Es sei denn, was?«, fragte Cruz.
»Es sei denn, wir könnten uns mit ihm einigen …«
Cruz war inzwischen so müde, dass sie nicht einmal mehr imstande war zu blinzeln.
»Mit dem möchte ich
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