Der Profi
herauszufinden. Eine der wichtigsten Strategien, um andere Mafias oder ähnliches Gesindel effizient in Schach zu halten, war, jemanden bei der Polizei zu kennen, auf dessen Hilfe man zählen kann. Den Preis, den ich für die Unterstützung eines Kommissars zu zahlen hatte, mit dem ich von Zeit zu Zeit zusammentraf (er ist inzwischen im Ruhestand), war folgender: Ich musste einen lokalen Kleindealer verpfeifen, der mit verunreinigtem Koks gehandelt hatte, wodurch zwei Drogensüchtige hopsgegangen waren. Der Vorfall wäre eigentlich nicht von großer Bedeutung gewesen, hätte es sich bei den Junkies nicht um zwei Yankees gehandelt, deren Papis irgendwelche hohen Tiere waren, die die US -Botschaft eingeschaltet hatten, wodurch die Ermittlungen plötzlich höchste Priorität bekamen. Ich wusste, wo sich der Dealer aufhielt, und die Polizei verschaffte mir die Adresse der Hacker . Eine Hand wäscht die andere! Für unsere zukünftige Zusammenarbeit musste ich den Bullen versprechen, keine Leichen auf meinem Weg zu hinterlassen.
»Ich kenne diese PC -Trottel«, hatte mir der Kommissar versichert. »Anfang des Jahres haben sie versucht, ein Netz zur Umleitung von Telefongesprächen an ausländische Nummern einzurichten. Zuerst finden sie deine Handynummer heraus, und sobald du anfängst zu telefonieren, wird dein Anruf über ein Terminal automatisch an eine ausländische 902-Servicenummer weitergeleitet. Um ehrlich zu sein: eine ziemlich einfallsreiche Abzocke. Sie haben einige hundert Personen damit betrogen, aber bislang nur wenig Geld verdient.«
»Was du nicht sagst? Und du nimmst sie nur deshalb nicht fest, weil du so ein gutes Herz hast?«, fragte ich.
»Quatsch! Ich hab aber nur vier Mitarbeiter zur Verfügung, die schon ganze rote Augen haben, weil sie immer zu spät ins Bett kommen, und die kann ich nicht noch mehr belasten. Außerdem habe ich tausend wichtigere Fälle in der Pipeline.«
»Dann willst du die also erst mal links liegen lassen?«, fragte ich verwundert.
»Nein. In ein paar Wochen wollte ich die Jungs, wenn ich mal ’ne Lücke habe, zu Hause besuchen und jedem Einzelnen von ihnen die Arme brechen. Im Augenblick hab ich aber weder Zeit noch Lust zu einer Razzia. Obwohl, vielleicht könntest du ja für mich einspringen?«
»Es wäre mir eine Ehre!«
»Welche Probleme haben sie euch denn bereitet?«, wollte der Inspektor wissen.
»Betriebsgeheimnis!«, antwortete ich. »Jedenfalls werden sie es nicht wieder tun.«
»Schon gut … Aber leg sie bitte nicht um, sonst hab ich anschließend wieder einen Haufen Papierkram zu erledigen.«
Als ich in ihrem Apartment in Coslada auftauchte, sahen mich die Hacker zuerst entsetzt an, dann bekundeten sie Respekt gegenüber meinem Fahndungstalent, und als ich einem von ihnen meine Glock samt Schalldämpfer in den Rachen rammte, brachen sie in Panik aus. Zum Schluss wurden wir Freunde und gingen hin und wieder zusammen ein Bierchen trinken. Nach dem ersten Schock verkauften sie ihr Wissen für unsere künftige Zusammenarbeit zu einem vernünftigen Preis. Ich fand es nützlicher, sie am Leben zu lassen und mit ihnen zu einer Einigung zu gelangen, statt sie zu töten. Dadurch hätte ich mir bloß Probleme bei meinen Polizeikontakten bereitet. Natürlich bekam ich die gestohlenen Dateien wieder zurück, und die Jungs versicherten mir, dass sie sich nie wieder in unsere Angelegenheiten einmischen würden. Ich riet ihnen, die Wohnung zu wechseln und zukünftig besser von ihren Telefonbetrügereien zu lassen, falls sie von der Polizei in Ruhe gelassen werden wollten. Im Gegenzug versprach ich ihnen regelmäßige Einkünfte, unter anderem dafür, dass sie die Sicherheit aller Informatik-Netzwerke der russischen Mafia in Madrid garantierten. Eigentlich nimmt die Russenmafia in einem so sensiblen Bereich wie der Informatik-Sicherung niemals externe Leute unter Vertrag, aber die Jungs waren nun mal die Crème de la Crème. Natürlich warnte ich sie, sollten sie irgendwann mit jemandem über mich oder meine da maligen Chefs sprechen, würde ich sie allesamt einen Kopf kürzer machen. Im Laufe der Jahre entwickelten wir eine hervorragende geschäftliche Beziehung, und obwohl ich ihnen genauso wenig vertraue wie allen anderen (das heißt: gar nicht), entlohne ich sie für ihren ausgezeichneten Service großzügig.
Die riesige Masse an Information, die im Internet zugänglich ist, überrascht mich immer wieder aufs Neue. Und damit meine ich nicht die Websites, die für
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