Der Profi
Religion.«
»Ich weiß gar nicht, was ich hier eigentlich verloren habe«, protestierte Fuad. »Mir fallen gleich die Augen zu.«
Marcial hob sein Glas Tsingtao Bier.
»Stoßen wir einfach auf Barbara an, himmlische Muse aller Normalsterblichen, Inspiration unserer obszönsten Fantasien: Wir grüßen dich, oh Königin des Sex-Appeals!«
Fuad verdrehte die Augen.
»Mensch, bist du penetrant. Lass mich mal einen Blick in die Speisekarte werfen …«
»Ich empfehle: Sushi, Maki-Rolle und dazu jede Menge Sake«, erklärte Marcial. »Für mich kommt nichts anderes in Frage. Ich habe gelesen, dass roher Fisch ganz wunderbar den Alkohol absorbieren soll, angeblich überzieht er die Magenwände mit einem hauchdünnen Schutzfilm, der reduzierende Wirkung auf die Moleküle von Ethanol – oder war es Methanol? – haben soll, so genau erinnere ich mich nicht. Das hab ich jedenfalls in der Zeitschrift Muy Interesante gelesen, aber wer weiß, welcher betrunkene Praktikant den Artikel verzapft hat. Es ist zumindest ein guter Vorwand, mich heute Nacht mal richtig volllaufen zu lassen. Aber zurück zum Thema ›Barbara‹…«
»Marcial, bitte!«
Fuad hatte sich mit Marcial angefreundet, als er bei Brown & McCombie angefangen hatte. Die Tatsache, dass beide fremd in der Großstadt waren, und die Abneigung gegenüber ihrem Chef Alejandro de Quinto schmiedete sie zusammen. Marcial kämpfte gegen De Quintos fremdenfeindliche Ader und dagegen, dass dieser hartnäckig darauf beharrte, Madrids Vorstädte seien im Grunde nichts weiter als Dritte-Welt-Staaten. Fuad wiederum ertrug seine Rolle als Flüchtling aus der »Dritten Welt«, in die er von seinem Vorgesetzten gedrängt wurde, mit ei ner Engelsgeduld. Und Seine Königliche Hoheit betonte im Beisein des Marokkaners immer wieder genussvoll: »Ceuta ist Afrika.«
»Kollege Fuad«, insistierte sein Freund, »wir müssen uns unbedingt auf der Party blicken lassen, sonst machen die uns noch zum Vorwurf, wir hätten keinen Teamgeist und wüssten nicht, wie man sich amüsiert. Wenigstens eine Stunde! Danach gehen wir mit ein paar Kumpels von meinem Bruder in eine Salsabar. Da gibt’s knackige Mulattinnen …«, sagte Marcial mit einem Akzent, der dominikanisch klingen sollte, sich in seinem aragonesischen Dialekt jedoch nur gestelzt anhörte.
»Wozu denn? So schlecht, wie ich tanze. Außerdem senden die Mädels und ich nicht auf derselben Wellenlänge. In Ceuta ist das viel leichter, vor allem in meiner Gegend.«
»Was meinst du damit? Von Eltern eingefädelte Beziehungen oder Zweckehen? Na komm schon, Fuad …«
»Nein, nein«, sagte Fuad halb entschuldigend. »Ich meine damit, dass unsere Gemeinde viel kleiner und überschaubarer ist und ich die Mädels schon von klein auf kenne. Wir haben meist schon als Kinder zusammen gespielt, da lernst du sie einfach besser verstehen. Zu mindest sind die Spielregeln klar! Hier in Madrid sind die Mädels wie hungrige Wölfinnen. Du trittst einmal ins Fettnäpfchen, und sie zerreißen dich! Keine Ahnung, ich verstehe mich einfach mit keiner. Und die, die mir gefallen, machen mich so nervös, dass mir die Knie weich werden.«
»Bring dein mangelndes Selbstvertrauen endlich unter Kontrolle!«, brummte Marcial mit verzweifeltem Ausdruck. »Gott, du bist ein Unternehmensberater! Noch dazu bei Brown & McCombie ! Da darfst du auf keinen Fall so defätistisch sein.«
Marcials Worte erheiterten Fuad, er lachte laut auf.
»Tanzen«, fuhr Marcial fort, »bedeutet im Grunde doch nur, dass du deine Hüften in Bewegung setzt, sobald du ausreichend Mojitos intus hast. Was denn? Gibt’s in Ceuta etwa keine Musik? Und was das Thema Frauen angeht … Ich glaube, ich muss mit dir mal in den Puff, da liegt dein ganzes Problem!«
Fuad hob die ausgebreiteten Hände in die Höhe.
»Pass jetzt besser auf, was du sagst!«
»Doch, doch, mein Junge … Das ist es! Schau mal, was uns Männer in Wirklichkeit gefangen hält, ist der Sex. Die Damen hüten da irgendwas ganz Geheimnisvolles zwischen ihren Beinen, wofür jeder Mann, der was auf sich hält, einen Mord begehen würde, und das wissen die ganz genau. Täusch dich mal nicht, Bruder, die nutzen das schamlos aus, ein archaisches Wissen, das von Müttern an ihre Töchter weitergegeben wird. Bevor du dich an die Frauen der großen Hauptstadt heranwagst, musst du zuerst einmal ihr Mysterium entweihen. Stell dir einfach vor, du stehst über der Situation, deine Lust auf Sex ist gestillt, ergo fällst du
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