Der Profi
hatte ihn gequält. Zu den Negativbilanzen des Unternehmens, seinem immer weiter zerfallenden Eheleben, den beunruhigenden Bildern, die seine Frau ständig kaufte, und dem Verlust des internationalen Telekommunikationsunternehmens als Partner kam jetzt auch noch die Auflösung des Vertrags mit Repsol .
Als er später ins Büro kam, fand er in seinem E-Mail-Fach eine Nachricht aus den USA . In kühlem und berechnendem Tonfall wurde er darüber informiert, dass der Generaldirektor des Mutterunternehmens in der kommenden Woche nach Madrid kommen werde, um sich mit ihm, seinem Stellvertreter, dem Geschäftsführer des Unternehmens in Spanien und den einzelnen Abteilungsleitern zu unterhalten. Die amerikanische Führung wolle angesichts der verheerenden Ergebnisse des spanischen Tochterunternehmens keine weiteren Kredite gewähren und verlange eine unverzügliche »Erklärung«. Der scharfe Ton der Nachricht ließ keine Zweifel an den Absichten des Generaldirektors. Als Eleuterio Zabaleta die Zentrale in den USA anrief, um die Wogen zu glätten, ließ ihm die dortige Sekretärin nur ausrichten, ihr Chef habe in diesem Moment keine Zeit, den Anruf entgegenzunehmen.
Da brach für Eleuterio Zabaleta eine Welt zusammen.
Am Nachmittag würde er auch noch den Anruf erhalten … von einem russischen Mafioso, dessen Name nach italienischer Operette klang. Er hatte ihn unter dem plumpen Vorwand des Brands seiner Segeljacht angerufen. Lucca Corsini, der Vertreter jenes Verbrechers, der ihn vor ein paar Tagen in seinem Büro mit dem irrsinnigen Angebot aufgesucht hatte, Brown & McCombie für die Kaufverhandlungen einer Bordellkette zu engagieren. Eine Angelegenheit, die noch immer nach einer Lösung verlangte. Wie hatte er sein Gespräch mit der Kriminalpolizei nur so lange aufschieben können?
Ein paar Stunden später würde er von seinem Ansprechpartner bei Repsol erfahren, dass sie den heiß ersehnten Vertrag zurückerhalten hatten. Für weitere drei Jahre! Wodurch sich die Gewinne des Unternehmens verdoppeln oder sogar verdreifachen würden. Diese Nach richt würde in den führenden Wirtschaftsgazetten des Landes wie eine Bombe einschlagen. Eleuterio Zabaleta – würde es in der Finanzpresse heißen – … unbestrittener Guru der spanischen Unternehmensberatung! Er träumte von seinem Foto auf der Titelseite der wichtigsten Wirtschaftswochenzeitung.
Er sagte alle Termine und Sitzungen an jenem Nachmittag ab, und als er erfuhr, ein gewisser Señor Corsini sei eingetroffen, rückte er sich vor dem Spiegel die Krawatte zurecht, trank einen großen Schluck Wasser, schluckte zwei Kopfschmerztabletten und ließ den Italiener hereinbitten.
Lucca Corsini schien aus einem ganz anderen Holz geschnitzt als der Mafioso Gagarin. Er wirkte eleganter, gebildeter und vernünftiger. (Entschuldigen Sie bitte die Selbstbeweihräucherung, aber ich möchte die offenkundigen Unterschiede zwischen mir und den Kameraden der Madrider Russenmafia an dieser Stelle noch einmal deutlich betonen!) Corsini war groß gewachsen, braun gebrannt und hatte kühle graue Augen. Er war sportlich und zugleich elegant gekleidet. Zabaleta begrüßte ihn mit einem festen Händedruck, dann nahm jeder in seinem Sessel Platz.
»Schön, dass Sie mich empfangen, Señor Zabaleta!«
Don Eleuterio war daran gewöhnt, mit schwierigen Gesprächspartnern umzugehen: Bossen von Weltfirmen, Gewerkschaftsführern, Anwälten, geldgeilen und machtbesessenen Unternehmensberatern, die um des eigenen Aufstiegs willen, gnadenlos ihre Kollegen niedertrampelten. Er bewegte sich mit großer Gewandtheit in einer Welt, in der es zum täglichen Geschäft gehört, von hinten erdolcht zu werden. Aber noch nie war er einem richtigen Mafioso so nahe gewesen. Auch musste er seinen ersten Eindruck ein wenig korrigieren: Corsini besaß eine durchaus bedrohliche und tödliche Ausstrahlung, ungefähr so wie ein schlecht versiegeltes Plutoniumpaket, das einem auf dem Schoß liegt. In seinen Augen lag keinerlei Sympathie, und er unternahm nicht den geringsten Versuch, freundlich zu wirken.
Noch bevor er ein Wort sagte, überreichte Corsini ihm schweigend ein Fax. Don Eleuterio las es aufmerksam durch. Der Briefkopf stammte von Lukoil-Perm und war von dessen Präsidenten unterschrieben. In prägnanten Worten, aber leicht fehlerhaftem Englisch stand darin, dass die Russen tatsächlich Druck auf Repsol ausgeübt hatten, damit diese zu ihrem Vertragspartner Brown & McCombie zurückkehrten. Aus diesem
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