Der Profi
ich für ehrgeizig und verwegen genug hielt, solch ein Risiko einzugehen: Mir kamen spontan zwei oder drei Namen in den Sinn.
Boris ließ seinen Untergebenen relativ freie Hand. Er mischte sich nur selten in lokale Angelegenheiten ein und zog es vor, die vory selbst machen zu lassen, es sei denn, es ging um etwas von größter Bedeutung. Damit, so hatte er mir einmal erklärt, wollte er Vertrauen schaffen und den »Teamgeist« der vory fördern (das Konzept hatte er aus irgendeiner Management-Fibel). Aber eine so gefährliche Situation wie einen Nachfolgekrieg, der dreien seiner Vertrauensmänner das Leben gekostet hatte, konnte Boris Iwanowitsch nicht einfach so ignorieren. Vor ein paar Jahren löste er bei einem ähnlichen Problem in Hannover die Angelegenheit dadurch, dass er acht Leichen und sechzehn Verletzte hinterließ. Ich kann mich noch gut an die Geschichte erinnern, weil ich anschließend den Papierkram mit den Behörden erledigen musste.
Um Punkt fünf rief ich erneut Zabaletas Sekretärin an, diesmal unter meinem richtigen Namen. Sie stellte mich ohne große Hindernisse zu ihrem Chef durch.
»Señor Corsini …«, sagte Zabaleta, nachdem er den Hörer abgenommen hatte. Seine Stimme klang sicher und energisch. »Sie hatten Recht mit Ihrer Behauptung, wir haben den Vertrag zurückbekommen. Allerdings sehe ich nicht, was Sie damit zu tun haben sollten, Brown & McCombie ist eines der prestigereichsten Unternehmen Spaniens, und die Beziehung zu seinen Kunden basiert auf dem Erfolg unserer Projekte und dem gegenseitigen Vertrauen. Bei dem Kunden, um den es geht, schauen wir auf eine langjährige, enge Zusammenarbeit zurück, die nun …«
»Vor zwei Tagen hat Sie ein Kollege von mir aufgesucht. Sein Name ist Michail Gagarin. Bestimmt erinnern Sie sich?«
»… also, um noch mal darauf zurückzukommen, was ich eben … Was? Was sagen Sie da?«
»Ja, Señor Zabaleta, Sie haben richtig verstanden: ein ziemlich ungehobelter Mensch, dessen Tätigkeit man als rechtswidrig bezeichnen könnte. Ich bin sein Repräsentant! Außerdem repräsentiere ich Männer in Russland, die noch viel mächtiger und einflussreicher sind als er. Sie sind dafür verantwortlich, dass Sie das ›Vertrauen‹, wie Sie es nennen, der Firma Repsol wieder zurückgewonnen haben. Wie ich schon sagte, durch einen einzigen Anruf kann ich alles wieder rückgängig machen!«
»Señor Corsini. Ich fürchte, unser Gespräch dauert inzwischen schon viel zu lange …«
»Seien Sie doch nicht blöd, Zabaleta. Das Erdöl von Perm gehört der Russenmafia. Sie haben die Erdöl fördernden Firmen unter ihrer Kontrolle, der Transport steht unter ihrem Schutz, und was die Verteilung des Erdöls betrifft, haben sie ihre Abmachungen mit der Regierung getroffen. Die Männer, von denen ich rede, sind die reichsten und mächtigsten in ganz Russland. Oder glauben Sie etwa, dass die ihren Reichtum mit dem Verkauf von Militärmützen am Eingang des Kreml verdient haben?«
»Und was haben Sie damit zu tun …?«
»Wenn Repsol die Ölfelder ausbeuten möchte, na, denken Sie mal nach, an wen die sich da als Allererstes wenden müssen … mmh? Und im Gegenzug verlangt die Mafia ihren Anteil an den spanischen Ölfeldern von Repsol in Venezuela … ich meine das Venezuela von Chávez, verstehen Sie jetzt? Denken Sie denn im Ernst, das sind alles nur schlichte Übereinkommen von Geschäftsleuten? Seien Sie doch nicht so naiv. Ein Wort von mir zu gewissen Moskauer biznessmen – so bezeichnen sich die Mafiosi selbst am liebsten – reicht aus, und Ihr Vertrag mit Repsol ist wieder futsch! Also, möchten Sie weiterreden, oder soll ich auflegen und Moskau anrufen?«
»Nein …!«, entfuhr es ihm. Panik ergriff für einige Momente von seiner Stimme Besitz. Dann fuhr er mit bewundernswerter Kontrolle fort. »Nehmen wir einmal an, ich glaube, was Sie mir erzählen. Was wollen Sie vo n mir?«
Ich lächelte in mein Handy.
»Ich will, dass wir uns treffen! In Ihrem Büro, in einer Stunde. Ich werde Ihnen ein Angebot unterbreiten, das Sie unmöglich ablehnen können …«
Das klang ein bisschen kindisch. Aber genau diesen Satz hatte ich schon immer einmal aussprechen wollen. Als ich auflegte, hatte ich noch immer seinen lautstarken Protest im Ohr.
»Nein, nein … bloß nicht in meinem Büro!«
Als Eleuterio Zabaleta, Stunden vor unserem Gespräch, an jenem Morgen aufgestanden war, fühlte er sich wie gemartert. Eine weitere Nacht voll Albträumen und Schlaflosigkeit
Weitere Kostenlose Bücher