Der Profi
lief ihm über die Lippen. Um auf Nummer sicher zu gehen, dass ich nun seine volle Aufmerksamkeit genoss, drängte ich ihn gegen die Wand und packte ihn an den Eiern. Ich drückte fest zu, was in der Regel sehr effektiv ist. Er jaulte vor Schmerz laut auf und versuchte sich von mir zu lösen. Aber ich hatte ihn fest im Griff. Normalerweise ziehe ich diplomatische Lösungen gewalttätigen vor, aber gewisse Menschen verstehen keine andere Sprache.
»Richte deinem Boss aus, wenn er den morgigen Sonnenaufgang erleben möchte, soll er mich in der Cafeteria gegenüber aufsuchen. Ich werde dort einen Kaffee trinken und eine halbe Stunde lang auf ihn warten.«
»Aber … du …!«, stammelte er rot vor Zorn (oder wegen des Drucks, den ich auf seine Weichteile ausübte).
»Inzwischen sind bereits drei unserer Leute tot. Du bist sicher auf dem Laufenden. Boris Iwanowitsch Tertschenko hat Rache geschworen. Die vory in Spanien haben euch ins Fadenkreuz genommen. Also … in einer halben Stunde, nicht eine Minute später!«, warnte ich ihn, während ich losließ.
Ich war es langsam müde, mich mit solchem Gesindel herumzuschlagen und immer nur zu dürftigen Ergebnissen zu gelangen. Mit meiner Geduld ging es rasant zu Ende. Also bestellte ich in der Bar einen extrastarken Kaffee, schluckte eine Tablette gegen Sodbrennen, steckte mir eine Zigarette an und wartete.
Irgendwann bremste ein großer blauer Mercedes vor dem Eingang der Bar scharf ab. Ihm entstieg ein Mann, der mir bedeutete, ich solle herkommen. Ich bezahlte die Rechnung und stürzte noch schnell ein Glas Wasser hinunter. Dann ging ich hinaus und stieg in das wartende Auto. Der Mann setzte sich auf die Beifahrerseite. Am Lenkrad hockte ein Chauffeur mit unglaublich breiten Schultern und neben mir auf dem Rücksitz der Rumäne, dessen Eier ich noch vor kurzem in meinen eigenen Händen gehalten hatte. Auf der Nase hatte er ein dickes Pflaster, seine Lippen waren schmal, fast unsichtbar. Er zitterte vor Wut. Niemand verriet mir, wohin wir fuhren, unsere Reise verlief schweigend. Regentropfen prallten gegen die Windschutzscheibe, sie wurden zunehmend dicker, je näher wir unserem Ziel kamen. Irgendwann hielten wir vor einem modernen Sportstadion, das auf einem riesigen Gelände in den Außenbezirken von Alcalá de Henares lag. Am Kassenhäuschen vor dem Eingang versuchte man uns anzuhalten, aber die Rumänen zeigten ihre Aus weise vor, und wir passierten die Schranken ohne Probleme. Unserer Dreiergruppe schloss sich der Chauffeur an, der gleichzeitig der Bodyguard war, was ich aus seiner mit Anabolika aufgeblasenen Muskulatur schloss. Inzwischen prasselte der Regen mit aller Kraft herab, obwohl die dunklen Wolken hin und wieder von Fetzen blauen Himmels abgelöst wurden – das verrückte Wetter des Madrider Frühlings.
Wir durchquerten einen Gang, der mit einem Wellblechdach überdeckt war, bis wir zu einem Sandplatz gelangten, wo ein Dutzend Spieler – sechs gegen sechs – um einen Ball kämpfte. Unter einem riesigen Regenschirm, der mit dem Wappen von Steaua de Alcalá verziert war, machte ich Bogdan Brezneanu aus. Er trug einen Trainingsanzug in schrillen Farben, eine Baseballkappe, eine Jogginghose und einen großen Bart in der Form eines umgekehrten »U«, der ihm das Aussehen eines wilden Bären verlieh. Er war hochgewachsen und hatte einen gewaltigen Bauch. An seiner Seite unterhielten sich zwei Trainer sehr angeregt, während sie vom Regen durchnässt wurden. Der Rumäne mit der blutigen Nase spannte einen Regenschirm auf, und, ohne um seine Erlaubnis zu bitten, suchte ich darunter Unterschlupf. Er ging noch immer ziemlich schwerfällig. Als wir Brezneanu erreichten, drehte sich dieser zu uns um.
»Ah, Corsini!«, begrüßte er mich, scheinbar erfreut, mich zu sehen. »Mögen Sie Fußball?«
»Das könnte ich nicht behaupten …«
»Wie schade«, sagte er mit seiner starken Bariton stimme und in makellosem Spanisch. »Ich bin ein eingefleischter Fan, obwohl ich selbst nicht mehr spielen kann. Wussten Sie, dass Steaua de Alcalá inzwischen auf dem zweiten Platz liegt? Nicht übel, was? Aber nicht nur das, Señor Corsini! Nein, nein. Wir unterstützen und entwickeln auch Projekte zur Integration unserer rumänischen Landsleute in der spanischen Gesellschaft, die uns so hervorragend aufgenommen hat! Neben dem Club, den Sie mit Sicherheit schon besucht haben, bemühen wir uns, neu aus Rumänien zugezogene Immigranten ins kulturelle, soziale und sportliche
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