Der Profi
Natürlich kann ich verstehen, dass meine Anwesenheit eher Beunruhigung auslöst, bedenkt man, für wen ich arbeite, aber schließlich zahle ich auch gut!
»Na, Spock, gibt’s was Neues?«
Der Hacker stammelte irgendetwas und ließ mich herein. Meine Freunde hatten in ihrem Wohnzimmer ein Arsenal von PC s, Druckern und sonstigem elektroni schem Krimskrams aufgebaut. Wie Zitteraale wanden sich die Kabel über den Boden, an die Wände hatten sie Fotos gepinnt, auf denen Frauen im Lederlook abgebildet waren, auf anderen Postern sah man Bösewichte der jüngeren Filmgeschichte (Freddy Krueger, Hannibal Lecter, Darth Vader). Daneben Bedienungsanleitungen für Computer, Programmierbücher und ein Kühlschrank randvoll mit Red-Bull-Dosen für schlaflose Nächte. Mister Spock und seine Kollegen trugen weite Jeans, die ihnen bis unter die Taille rutschten und einen Blick auf ihre Unterhosen freigaben, und Trainingsjacken mit Kapuzen. Alles war wie immer.
Ich überreichte Mister Spock die CD -Roms und mehrere USB -Sticks.
»Ihr müsst mir das hier öffnen …«
»Corsini, das ist ein USB -Stick! Den kann man doch direkt an jeden Computer anschließen.«
Ich versuchte mich durch seine Aussage nicht provozieren zu lassen, aber er musste die Veränderung in meinem Gesichtsausdruck bemerkt haben.
»Versteh mich nicht falsch, Corsini …«, machte er schnell einen Rückzieher. »Klar, dafür sind wir ja da, aber wegen eines USB -Sticks hättest du dir die Reise sparen können!«
»Ich weiß, Spock. Aber ich hab im Moment keinen PC zur Hand, außerdem fürchte ich, dass beim Herunterladen des Sticks alle darauf befindlichen Daten gelöscht werden könnten. Er hat bestimmt irgendeine Schutzvorrichtung. Und dafür hab ich euch …«
»Eine Schutzvorrichtung? Na gut, dass du das Passwort kennst, wäre wirklich zu viel verlangt.«
»Wenn ich es wüsste, wäre ich nicht hier.«
»Und woher weißt du das mit der Schutzvorrichtung?«
»Ich habe Wirtschaftswissenschaften studiert!«
Darauf murmelte Mister Spock lakonisch: »Sehen wir mal, was sich machen lässt …«
Während meine Freunde den ersten Datenträger an ihren Computer anschlossen, beschäftigte ich mich mit Zagoneks und Tamaews Terminplanern, ihren Rechnungs büchern, den Auftragsregistern des vergangenen Jahres. Waren die vory wirklich so kopflos gewesen, wie es schien? Derart kompromittierendes Material aufzuheben war ohne jeden Zweifel äußerst leichtsinnig. Andererseits standen die lokalen Bosse in der Pflicht, alles zu dokumentieren. Denn Moskau verlangte exakte Informationen über sämtliche Aktivitäten in seinen Auslandsfilialen. Später würde ich die Datenträger per Kurier zu Boris Iwanowitsch schicken. Dort wären sie für immer in Sicherheit.
In den Terminplanern ließ sich nichts finden, was einen Hinweis auf die Ermordung ihrer Besitzer hätte geben können.
Ich harrte vier Stunden im Apartment der Hacker aus, während diese sich an ihren Tastaturen abrackerten. Ich steckte mir eine Zigarette nach der anderen an, und jedes Mal sahen mich meine Freunde daraufhin schräg von der Seite an: Seit meinem letzten Besuch hatten sie ein Rauchverbotsschild aufgehängt.
»Du, Spock …?«
Der Informatikspezialist sah erschrocken auf.
»Gehst du eigentlich nie vor die Tür?«
Er machte eine überraschte Miene.
»Doch … manchmal, um einkaufen zu gehen, oder wenn ich mich mit ein paar Kumpels treffe.«
»Kommt das öfter vor?«, erkundigte ich mich.
»Nein, nicht besonders oft.«
»Interessiert dich die Gesellschaft nicht?«
»Nur wenig. Ich ziehe der Gesellschaft ehrlich gesagt die Bits vor. Sie sind berechenbar, nachprüfbar, man kann ihnen vertrauen. Eine immer seltenere Eigenschaft in unserer Zeit!«
So viel Scharfsinn und Beredsamkeit seitens Mister Spock überraschten mich.
»Glaubst du eigentlich, dass Nebukadnezar das beste Raumschiff aller Zeiten war?«
Damit meinte ich das Flugobjekt aus dem Film Matrix , das von Captain Morpheo geflogen wurde. Es war auf einem großen Poster an der Wand vor mir zu sehen.
Der Hacker war noch mehr erstaunt. Es dauerte eine Weile, bis er sich zu einer Antwort durchgerungen hatte.
»Ja, ich glaube schon.«
Dann verstrichen einige Sekunden, bis sein Kollege flüsterte:
»Die Enterprise .«
»Was?«, fragte ich.
»Die U. S. S. Enterprise aus Star Trek ! Vor allem die der Neuen Generation. Die ist am realistischsten. Der ›Sprung in den Hyperraum‹ wird dort zum ersten Mal richtig erklärt. Nämlich
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