Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Prometheus-Verrat

Der Prometheus-Verrat

Titel: Der Prometheus-Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
Vom Netzwerk:
Botschaften, die die Royalisten untereinander austauschten. Er half bei der Gründung der English Black Chamber, der damaligen NSA. Nachdem er schließlich seinen Dienst quittiert hatte, nutzte er sein Talent weiter und ging als Professor für Geologie nach Oxford, wo er mit der Entwicklung einer neuen Rechenmethode der modernen Mathematik den Weg bereitete. Wer war nun wichtiger: Wallis, der Spion, oder Wallis, der Gelehrte? Aus dem aktiven Dienst auszuscheiden ist etwas anderes als auf die Weide getrieben zu werden.«
    Wie oft hatte Bryson diese verquere Metapher schon gehört! Es fehlte nicht viel, und er hätte laut aufgelacht. »An was hast du denn da für mich gedacht? Soll ich mich vielleicht als Wachmann in einem Supermarkt verdingen und mit Gummiknüppel und Knarre vor der Fleischtheke patrouillieren? «
    » Integer vitae, scelerisque purus non eget Mauris jaculis, neque arcu, nec venenatis gravida saggittis pharetra . Der integere, schuldlose Mann braucht keinen Maurenspeer, noch einen Bogen oder einen Köcher voller Pfeile. Horaz, du kennst den Satz bestimmt. Zufällig ist alles schon arrangiert. Das Woodbridge College muss seinen Lehrstuhl für Nahostgeschichte neu besetzen, und ich wüsste da einen passenden Kandidaten. Deine Studien, deine Fremdsprachenkenntnisse und konkreten Erfahrungen prädestinieren dich für dieses Amt.«
    Bryson hatte den gespenstischen Eindruck, nicht mehr bei sich selbst zu sein, das Gefühl, abgehoben über den Dingen zu schweben und alles mit kühlem, nüchternem Blick von oben zu beobachten. Er war immer gefasst darauf gewesen, im Einsatz getötet zu werden; diese Möglichkeit hatte er stets ins Kalkül gezogen. Aber dass man ihn eines Tages schassen würde, hätte er sich nie und nimmer träumen lassen, geschweige denn, dass es ausgerechnet sein Freund und Mentor sein würde, der ihn vor die Tür setzte.
    »Das gehört alles mit zum Plan deiner Pensionierung«, fuhr Waller fort. »Wie heißt es so richtig? Untätige Hände
sind des Teufels Werkstatt. Davon können wir ein Lied singen. Ein Agent mit viel Geld, aber ohne Aufgabe stürzt ab; das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Auch du brauchst ein neues Projekt, und zwar eines, das dich voll in Anspruch nimmt. Du bist der geborene Lehrer – was einer der Gründe dafür ist, dass du ein so guter Agent warst.«
    Bryson sagte nichts. Er versuchte, die schmerzliche Erinnerung an einen Einsatz in einer kleinen Provinz in Lateinamerika zu verdrängen, die Erinnerung an ein Gesicht im Fadenkreuz eines Präzisionsgewehrs. Das Gesicht gehörte zu einem seiner »Studenten«, einem 19-jährigen Amerikaner indianischer Abstammung namens Pablo, dem er beigebracht hatte, hoch explosive Sprengstoffe einzusetzen, scharf zu machen oder zu entschärfen. Ein harter, aber anständiger Kerl. Seine Eltern lebten als Bauern in einem Bergdorf, das kurz zuvor von maoistischen Rebellen eingenommen worden war. Wenn sie erfahren hätten, dass Pablo mit dem Erzfeind kollaborierte, wäre es seinen Eltern an den Kragen gegangen. Der junge Mann geriet in einen schweren Loyalitätskonf likt und sah, um seine Eltern zu schonen, keine andere Möglichkeit, als überzulaufen und den Guerilleros zu berichten, was er von der anderen Seite wusste, unter anderem auch die Namen anderer Kollaborateure. Er war zwischen die Fronten geraten, in eine Situation, für die es keine günstige Lösung gab. Bryson nahm Pablos Gesicht ins Visier – das Gesicht eines armen, verzweifelten, verängstigten jungen Mannes – und konnte dann, als der Abzug gedrückt war, nur noch wegsehen .
    Waller sah sein Gegenüber unverwandt an. »Dein Name ist Jonas Barrett. Du bist ein freischaffender Gelehrter, Autor von einem halben Dutzend viel beachteter Artikel in einschlägigen Fachzeitschriften, unter anderem im Journal of Byzantine Studies . Unsere Nahostexperten haben an deiner zivilen Legende fleißig mitgestrickt.« Waller reichte ihm einen Aktenordner, dessen kanarienvogelgelbe Farbe deutlich machte, dass in seinem Deckel Magnetstreifen eingelassen waren, die Alarm schlagen würde, wenn man versuchte, den Ordner nach draußen zu schmuggeln. Er enthielt eine Legende, eine fiktive Biografie. Seine Biografie.

    Er durchblätterte die eng beschriebenen Seiten. Sie erzählten das Leben eines zurückhaltenden Gelehrten, dessen linguistische Fähigkeiten durchaus den seinen entsprachen und dessen sonstiges Spezialwissen schnell aufzuholen war. Die Grundzüge der Biografie konnte

Weitere Kostenlose Bücher