Der Prometheus-Verrat
Nachbarinseln zusammen mit Lebensmitteln und sonstigen Bedarfsartikeln auch ein paar Zeitungen eingeflogen. Die Kauffrau legte immer ein Exemplar für die berittene Kundin mit dem hübschen ausländischen Zungenschlag zurück.
Anschließend galoppierte Elena über den verlassenen Sandstrand zum drei Kilometer entfernten Bungalow zurück, wo Nicholas dann meist bei einer ersten Tasse Kaffee auf der Terrasse saß. Nach dem Frühstück nahmen sie gemeinsam ein Bad im Meer. So begingen sie ihre Tage. Es war paradiesisch.
Auch als der Inselarzt anhand eines Bluttests bestätigen konnte, was sie schon seit mehreren Tagen ahnte, nämlich dass sie schwanger war, setzte Elena ihre morgendlichen Ausritte fort, verhielt sich aber nun vorsichtiger dabei. Beide waren überglücklich. Sie bereiteten sich auf die Ankunft ihres Babys vor, diskutierten stundenlang darüber, was sich für sie alles ändern und was gleich bleiben würde, und ihre Liebe vertiefte sich von Tag zu Tag.
Geldsorgen hatten sie keine. Die Regierung hatte ihnen eine großzügige Abfindung zukommen lassen, die, vernünftig investiert, mehr Ertrag einbrachte, als sie zum Leben
brauchten. Nur selten sprachen sie über die Gründe, die sie hierher verschlagen hatten, darüber, warum ihre Flucht unerlässlich gewesen war und warum sie einen neuen Namen hatten annehmen müssen. Jene schreckliche, schmerzvolle Episode gehörte der Vergangenheit an, und die sollte nach Möglichkeit ruhen.
Die Mini-DVD, die sie in jener Nacht aus Mannings Überwachungssystem zusammengestellt hatte, bot ihnen allen Schutz, den sie brauchten, denn die Scheibe enthielt Geheimnisse, die so brisant waren, dass niemand daran rühren mochte. Es hätte womöglich Unruhen gegeben, wäre der Öffentlichkeit bekannt geworden, wie nahe die Welt am Rand einer politischen Katastrophe gestanden hatte, dass sich eine Gruppe arroganter Putschisten, die demokratisch legitimierte Regierungen für obsolet erachteten, angeschickt hatte, eine supranationale Sicherheitsbehörde einzurichten, gegen die sich Stalins KGB oder Hitlers SS geradezu lax ausgemacht hätten.
Bis auf wenige Ausnahmen waren alle Putschisten in der Manningschen Villa bei lebendigem Leibe verbrannt. Aber es gab viele Helfer und Helfershelfer, mit denen sich nun die Gerichte zu befassen hatten. Dank mancher Kronzeugengeständnisse konnte Licht in das Dunkel der unsäglichen Affäre gebracht werden. Von Gregson Manning hieß es, dass er in einem Staatsgefängnis in North Carolina einsaß und eine Strafe wegen Wirtschaftsspionage abbüßte, und zwar in strenger Isolationshaft, wie es gerüchteweise hieß. Mehrere Senatoren verlangten, die Abstimmung über das Abkommen für ungültig zu erklären und zu wiederholen, da vermutet werden musste, dass Richard Lanchester das Verfahren in unzulässiger Weise beeinflusst hatte. Ohne Unterstützung von amerikanischer Seite gab man dem Abkommen auch auf internationaler Ebene keine Chance mehr.
Von der DVD wurden insgesamt 16 Kopien gezogen. Eine ging per Kurier ans Weiße Haus und war mit einem Code versehen, der sicherstellte, dass nur der Präsident Einblick nehmen konnte. Auch den Generalstaatsanwalt der Vereinigten Staaten erreichte eine solche Lieferung. Weitere Kopien
wurden nach London, Moskau, Peking, Berlin, Paris und in andere Welthauptstädte verschickt.
Drei Kopien sollten als Sicherheitsgarantien herhalten. Eine lag bei einem Anwalt in Verwahrung, dem Bryson rückhaltlos vertrauen konnte, die zweite in einem Schließfach, und die dritte war in einem sicheren Versteck auf der Insel deponiert worden. Bryson und Elena hofften sehr, dass sie nie würden darauf zurückgreifen müssen.
Er lag auf einem Liegestuhl und hatte sich in seine Zeitungslektüre vertieft, als Elena aus dem tiefblauen Wasser stieg. »Ehe du diese grässliche Gewohnheit nicht aufgibst, wird du nie wirklich frei sein«, rügte sie ihn.
»Als wär’s ein Laster wie das Rauchen.«
»Das ist es auch, und fast ebenso schlimm.«
»Und wahrscheinlich nicht weniger leicht aufzugeben. Aber wenn ich es täte, welchen Vorwand hättest du dann noch für deine morgendlichen Ausritte?«
Sie grinste. »Mir würde schon etwas einfallen.«
» Herrje! « Er starrte auf die aufgeschlagene Zeitung.
»Was ist?«
»Versteckt auf Seite D-16. Im Wirtschaftsteil.«
»Worum geht’s?«
»Eine kleine Notiz nur. Liest sich wie eine Pressemitteilung von Systematix.«
»Manning sitzt doch hinter Gittern.«
»Ja. Aber er hat
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