Der Prometheus-Verrat
eine erstaunliche Vielzahl von Unternehmen, die allesamt miteinander vernetzt sind: Autoschmieden und Luftfahrtunternehmen, Pharmakonzerne und Telekommunikationsbetriebe. Darüber hinaus besitzt es jede Menge Immobilienbeteiligungen, Hotels in ganz Asien, unter anderem Pekings Filetstückchen: das Palace Hotel. Das Militär ist Betreiber fast aller chinesischen Flughäfen …«
»Aber ich dachte, die chinesische Regierung hätte sich daran gemacht, das Militär zu stutzen. Wie es heißt, hat der Ministerpräsident verfügt, dass sich das Militär aus allen Wirtschaftsunternehmen ausklinkt.«
»Oh ja, die Regierung hat’s versucht, allein, der Geist hat die Flasche längst verlassen. Oder wie sagen die Amerikaner? Die Zahnpasta ist raus aus der Tube. Pandoras Büchse wäre als Bild wohl treffender. Kurzum, das Verhängnis nimmt seinen Lauf. Die Volksbefreiungsarmee hat sich zur mächtigsten Instanz Chinas entwickelt.«
»Aber hat Peking in den vergangenen Jahren nicht mehrfach die Ausgaben für Verteidigung gekürzt?«
Tarnapolski schnaubte. »Na und? Die Lücken sind schnell gestopft. Die Armee braucht nur ein paar ausrangierte Waffen an Schurkenstaaten zu verhökern. Mein lieber Coleridge, die wirtschaftliche Macht der Volksbefreiungsarmee liegt jenseits unserer Vorstellungskraft. Längst hat sie auch die strategische Bedeutung der Telekommunikation für sich erkannt und entsprechende Weichen gestellt. Sie investiert in Satellitenprogramme; ihr gehört das größte Telekommunikationsunternehmen Chinas; sie kooperiert mit den Marktführern des Westens – mit Lucent, Motorola, Qualcomm, Systematix, Nortel – und baut ein riesiges Mobilfunknetz aus. Es heißt, dass ihr inzwischen der Himmel über China gehört. Und derjenige, der alle Fäden in der Hand hält, ist der Jademeister. General Tsai.«
Als Tarnapolski auf das Rollfeld zusteuerte, sah Bryson ein kleines Flugzeug, eine brandneue Jakolew-112, am Rand der Piste warten. Es handelte sich, wie er auf den ersten
Blick registrierte, um eine einmotorige, viersitzige Maschine – wahrscheinlich die kleinste aus der Flotte des Unternehmens.
Tarnapolski bemerkte Brysons Verwunderung. »Glauben Sie mir, mein Freund, mehr konnte ich in der Kürze der Zeit beim besten Willen nicht herausschlagen. Natürlich hat die Firma auch größere, schickere Maschinen – zum Beispiel eine JAK-40 oder eine Antonow-26 –, aber die waren alle schon gebucht.«
»Die hier tut’s auch, Juri. Vielen Dank. Ich bin Ihnen allerhand schuldig.«
»Betrachten Sie’s als Werbegeschenk.«
Bryson merkte auf. Nicht weit entfernt war das Quietschen bremsender Reifen zu hören. Als er sich umdrehte, sah er einen großen, schwarz glänzenden Kastenwagen, der über die Startbahn herbeigerollt kam.
»Was zum Teufel hat das zu bedeuten?«, rief Juri. Plötzlich flogen die Türen des Transporters auf und drei maskierte Männer in schwarzer Kampfmontur sprangen auf die Piste.
»In Deckung!«, rief Bryson. »Verdammt! Wir haben keine Waffen!«
Tarnapolski tauchte ab und zog eine Lade unter dem Fahrersitz hervor. Darin befanden sich mehrere Pistolen und jede Menge Munition. Juri gab Bryson eine 9 mm Makarow in die Hand und bewaffnete sich selbst mit einer schweren Kalaschnikow Bizon, einer Maschinenpistole aus dem Arsenal der Spetsnaz. Schon krachten die ersten Schüsse; die Windschutzscheibe des Audi wurde durch Tausende winzige Sprünge schlagartig weiß. Das Glas war, wie Bryson feststellte, immerhin halbwegs kugelsicher. Er duckte sich. »Ist der Wagen gepanzert?«
»Ja, aber nur leicht«, antwortete der KGB-Mann. Er legte die Waffe an und holte tief Luft. »Am sichersten sind die Türen.«
Bryson nickte. Er hatte verstanden. Die Türen waren verstärkt worden; sie würden ihm als Schutzschild dienen.
Wieder hagelten Geschosse auf sie ein, und durch die Seitenscheibe war das Kommando zu sehen, das in Schützenposition Aufstellung genommen hatte. »Die hat uns Prischnikow auf den Hals gehetzt«, flüsterte Tarnapolski.
»Wahrscheinlich hat Labows Frau bei ihm angerufen«, spekulierte Bryson. Aber wie konnte Prischnikow wissen, wohin er seine Killer zu schicken hatte? Vielleicht lag die Antwort auf der Hand: Russland konnte man am schnellsten durch die Luft verlassen, und jeder, der so töricht war, sich an Prischnikows hoch geschätztem Assistenten zu vergreifen, würde sich schleunigst zu verdrücken haben. Und es gab nicht viele Flughäfen in der Nähe Moskaus, nur zwei, auf denen
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