Der Prometheus-Verrat
mit Dragan nicht abgesprochen war. Mit dem hattest du offenbar einen Deal zu verhandeln, auf den du selbst nicht stolz sein konntest, weshalb er in aller Heimlichkeit über die Bühne gehen musste. Allerdings habe ich dir noch eine Chance gegeben und versucht, dich nach deiner Rückkehr zur Rede zu stellen.«
»Ja, es war das erste Mal, dass du Rechenschaft von mir verlangt hast.«
»Daran hättest du erkennen müssen, wie wichtig mir deine Antwort war. Trotzdem hast du mich einfach belogen.«
»Elena, Liebste, es war doch nur zu deinem Schutz. Ich wollte dich nicht alarmieren. Du wärst bestimmt nicht einverstanden gewesen, hätte ich dir gesagt, was ich vorhabe. Und nachher habe ich mich nicht mehr getraut, mit dir darüber
zu sprechen; du hättest mir schwere Vorwürfe gemacht. «
Sie schüttelte den Kopf. »Jetzt weiß ich ja Bescheid. Aber von Titan war damals nur zu hören, dass du Dragan das Versteck meiner Eltern verraten hättest im Austausch gegen lukrative Zugeständnisse seinerseits …«
»Wie konntest du so etwas nur glauben?«
»Aber ich hatte doch keine Ahnung!«
»Aber mir zuzutrauen, dass ich deine Eltern ans Messer liefere! Wie konntest du nur?«
»Weil du mich angelogen hast, Nicholas«, empörte sie sich. »Was hätte ich anderes denken sollen? Du hattest gelogen! «
»Lieber Gott, was musst du von mir gedacht haben.«
»Ich habe von Ted verlangt, dass er mich außer Landes bringt und irgendwo an einem sicheren Ort versteckt. Wo du mich nie finden würdest. Und ich wollte, dass auch meine Eltern umziehen, und zwar sofort. Mir war klar, dass das ziemlich aufwändig und teuer sein würde. Aber Ted erklärte sich einverstanden. Dein Verhalten hat mich bis ins Mark verletzt, aber vor allem ging’s mir darum, meine Eltern zu beschützen. Ted brachte mich hierher, in die neue Zentrale. Mama und Papa konnten ganz in der Nähe untergebracht werden.«
»Hat Ted mir eine solche Schweinerei zugetraut?«
»Er wusste nur, dass du ihn ebenfalls angelogen hattest und in eigener Sache unterwegs warst.«
»Aber er hat mich danach nie darauf angesprochen, kein einziges Mal.«
»Überrascht dich das? Du weißt, wie diskret er ist, und ich habe ihn mir versprechen lassen, dass er dir kein Wort sagt.«
»Aber weißt du denn immer noch nicht, was ich getan habe?«, rief Bryson. »Weißt du’s wirklich nicht? Ja, ich habe mit den Ausputzern einen Deal abgeschlossen, einen Deal zum Schutz deiner Eltern. Ich habe Dragan bedroht und ihm unmissverständlich klargemacht, dass, wenn er sich an deinen Eltern vergreifen sollte, seine ganze Familie dafür büßen müsste. Ich wusste, dass ich nur so bei ihm Eindruck machen
konnte: mit einem Racheversprechen der sizilianischen Art.«
Elena schluchzte. »Papa ist vor zwei Jahren gestorben, Mama im vergangenen Jahr; ohne ihn wollte sie nicht mehr weiterleben. Oh, Nicholas, ich habe dich für ein Monstrum gehalten.«
Er streckte die Hände aus, um sie zu umarmen, obwohl er sich kaum aufrichten konnte. Weinend sank sie auf seine Brust, und kam dabei mit der verbundenen Wunde in Berührung, worauf ihn ein scharfer Schmerz durchfuhr. Doch er nahm sie in die Arme, streichelte und tröstete sie. »Was ich dir alles unterstellt habe!«, weinte sie. »Wie konnte ich nur …«
»Die Schuld liegt bei mir, Elena. Ich war dir gegenüber nicht offen und ehrlich. Es war nicht bloß ein dummes Missverständnis. Du bist vorsätzlich und systematisch in die Irre geführt worden, und zwar von diesem Agenten namens Titan. Warum? Zu welchem Zweck?«
»Womöglich hat auch da Prometheus seine Hand im Spiel gehabt. Sie wissen, dass wir ihnen im Nacken sitzen, und sie werden jede Gelegenheit nutzen, um uns zu verunsichern und auseinander zu bringen. Und uns mit falschen Berichten gegenseitig aufzuwiegeln.«
»›Prometheus‹ … du und Waller, ihr habt diesen Namen schon mehrfach erwähnt. Ihr scheint einiges darüber zu wissen. Worum geht es da eigentlich?«
Elena streichelte sein Gesicht und schaute ihm tief in die Augen. »Wie sehr ich dich vermisst habe, Liebster.« Sie richtete sich auf, drückte seine Hand und stand dann langsam von der Bettkante auf. Aus alter Gewohnheit ging sie, wenn sie mit einem komplizierten Problem beschäftigt war, nachdenklich im Zimmer auf und ab. Es war, als wirkte die gleichmäßige Bewegung wie ein Katalysator auf ihre Gedanken.
»Der Name Prometheus ist uns vor rund zwölf Monaten zum ersten Mal begegnet«, berichtete sie im Gehen. »Er
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