Der Prometheus-Verrat
keinen Sinn. Ich habe doch, verdammt noch mal, wertvolle Arbeit geleistet. Immer und immer wieder habe ich …«
»… haben Sie uns aufgemischt, und das auf bravouröse Weise«, unterbrach Dunne und spielte mit einer Zigarette, ohne sie anzuzünden. »Jeder Ihrer großen Erfolge war ein verheerender Rückschlag für uns und die Interessen Amerikas.
Ich sage das mit großem Respekt vor Ihrer professionellen Leistung. Nun, was hätten wir da alles? Zum Beispiel diesen angeblich moderaten Reformpolitiker aus Südafrika, den Sie beschützt haben. Er wurde geschmiert von Terroristen des Sendero Luminoso, des Leuchtenden Pfads. Auf Sri Lanka haben Sie eine geheime Koalition zerschlagen, die kurz davor stand, einen Frieden zwischen Tamilen und Singhalesen auszuhandeln.«
Wieder wechselte das Bild auf dem einen der hochauflösenden Schirme, und die flimmernden Pixel nahmen Farbe und Kontur an. Noch ehe das Foto scharf war, hatte Bryson das Gesicht erkannt.
Es war Abu.
»Tunesien«, sagte Bryson und schnappte nach Luft. »Er … er und seine Leute, Fanatiker, sie hatten einen Anschlag geplant. Ich habe mich eingeschaltet, Druck gemacht auf diverse oppositionelle Gruppen und herausgefunden, wer im Palast auf beiden Seiten mitmischte …« An diese Episode erinnerte sich Bryson alles andere als gern. Die Erinnerung an das Gemetzel auf der Avenue Habib Borguiba verfolgte ihn bis in die Träume, ganz zu schweigen von dem Moment, da Abu ihn demaskiert und umzubringen versucht hatte.
»Tja«, sagte Dunne. »Sie haben ihn auffliegen lassen und an die Regierung ausgeliefert.«
In der Tat, Bryson hatte Abu einer ihm vertrauten Gruppe von Sicherheitsbeamten der Regierung übergeben, die ihn und Dutzende seiner Mitstreiter ins Gefängnis geworfen hatten.
»Und was ist dann passiert?«, fragte Dunne, als wollte er ihn prüfen.
Bryson zuckte mit den Schultern. »Er ist zwei Tage später in Haft gestorben, und ich kann nicht sagen, dass ich darüber eine Träne vergossen hätte.«
»Ich wünschte, dasselbe sagen zu können«, entgegnete Dunne, und seine Stimme nahm einen scharfen Ton an. »Abu war einer von uns, Bryson. Genauer: Einer von meinen Leuten. Ich habe ihn persönlich ausgebildet. Er war unser wichtigster
Mann in der Region, und damit meine ich den ganzen verfluchten Sandkasten.«
»Aber der geplante Anschlag … «, bemerkte Bryson zaghaft. Ihm schwirrte der Kopf. Er verstand die Welt nicht mehr.
»Nichts weiter als eine Geschichte, um seine verrückten Anhänger bei der Stange zu halten. Ja, er war Anführer der Al-Nahda, aber er führte sie geradewegs ins Abseits. Abus Cover war sehr dick, und das musste auch so sein, sonst hätte er in diesem Umfeld nicht lange überlebt. Sie können sich wohl vorstellen, dass es nicht einfach ist, in eine terroristische Zelle einzudringen, vor allem, wenn es sich um die Hisbollah handelt. Die sind alle verdammt misstrauisch. Wenn sie einen nicht ganz genau kennen – das heißt die komplette Familie, und zwar seit Generationen –, wollen sie dich kübelweise Blut vergießen sehen, das Blut von Israelis; anderenfalls wird man dir nicht trauen. Abu war ein gewiefter Hund, aber eben unser Hund. Und er konnte sich nicht leisten, zimperlich zu sein. Tatsache ist, dass er sich schon ziemlich nahe an Gaddafi herangemacht hatte. Sehr nahe. Gaddafi setzte auf Abu und hoffte, dass er Tunesien einnehmen und zur libyschen Provinz machen würde. Es fehlte nicht viel, und die beiden hätten Blutsbrüderschaft geschlossen. Wir standen kurz davor, einen direkten Draht zu allen islamischen Terrorgruppen nördlich der Sahara zu unterhalten. Dann ist ihm das Direktorat auf die Schliche gekommen und hat ihm Blindgänger als Munition untergejubelt. Als unsere Leute dahinter kamen, gab es schon nichts mehr zu retten. Unser Spionagenetz war um gut zwanzig Jahre zurückgeworfen. Hervorragende Arbeit. Das muss man diesen superschlauen Schachspielern wirklich lassen. Alle Achtung, wie sie es geschafft haben, einen amerikanischen Geheimdienst gegen den anderen auszuspielen. Soll ich noch mehr erzählen? Von Nepal berichten und Ihnen erklären, was Sie mit Ihrem Eingreifen dort bewirkt haben? Oder von der Aktion in Rumänien, mit der Sie und Ihre Leute gehofft haben, der Opposition des Landes gegen Ceauşescu
helfen zu können. Was für eine Farce! Fast das gesamte Personal des alten Regimes hat eines Tages seine Garderobe gewechselt und die neue Regierung gestellt. Das wissen Sie. Der Sturz Ceauşescus
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