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Der Prophet des Teufels

Der Prophet des Teufels

Titel: Der Prophet des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Mein Freund.«
    »Ich danke Ihnen.«
    »Sie können mir gelegentlich einen Gefallen tun.«
    »Jeden«, erwidert Graf Helldorf.
    Eine Stunde später weht an der übergroßen Limousine Hanussens ein SA-Wimpel. Graf Helldorf macht Besorgungen. Er fährt langsam über den Kurfürstendamm, damit ihn jeder sieht. Die SA hat einen neuen Mäzen. Er heißt Erik Jan Hanussen und ist der Sohn eines Synagogenverwalters aus Wien. Hanussen ist der erste »Ehrenarier« der Bewegung. Der Berater der reichen Bankiers, der Filmdiven, der Politiker, der glänzende Artist der »Scala«, wird zum Propheten des Teufels.
    Der Hanussen-Rummel wird politisch. Aufdringlich war er immer schon, aber jetzt wird er penetrant. Während Hanussen zur Volksbelustigung bisher verborgene Stecknadelköpfe suchte, während er lustigen Witwen Männer, verbummelten Studenten bestandene Examina und schwärmerischen Backfischen Filmkarrieren vorhersagte, während seine Vorstellungen bisher ein Gemisch aus Spannung, Sensation und Überraschung waren, beschäftigt er sich jetzt auch noch mit der ›Zukunft Deutschlands‹.
    »Wählen Sie Hitler, gnädige Frau«, sagt er am Ende einer Konsultation. »Die Krankheit Ihres Mannes wird sich bessern. Aber vergessen Sie nicht den Sieg der Bewegung.«
    Es ist halb elf Uhr. Das ›Romanische Café‹ ist halb voll. Ein paar Journalisten nehmen hier ihr Frühstück ein. Links neben dem Eingang diskutieren Maler. Es sind die Arrivierten. Sie verkaufen glänzend. Die Noch-nicht-Arrivierten sitzen im Hintergrund. Selbst im »Romanischen«, wo Könner und Dilettanten, Habenichtse und Großverdiener verkehren, gibt es noch Klassenunterschiede.
    Der Tag ist sonnig und warm. Die Theater machen Ferien. Die Prominenz rüstet zum Urlaub. Auf der Straße verprügeln sich Kommunisten und Nationalsozialisten. Immer häufiger sieht man Schutzleute mit Tschakos und Gummiknüppeln. In der Politik ist der Teufel los. Die einen rüsten zur Macht, und die anderen richten ihr Fluchtgepäck.
    Es ist wie immer im »Romanischen«. Ein paar Reporter werden von ihren Zeitungen abberufen. Im Westend wurde ein Raubmord entdeckt. Die Feuerwehr von Steglitz hat Probealarm. Die Post weiht zweitausend neue Telephonanschlüsse ein. Die Affäre einer berühmten Schauspielerin belustigt ganz Berlin. Und in einem Wäldchen bei Falkensee wird ein erhängter sechsundsechzigjähriger Bankier gefunden. Motiv: Liebeskummer.
    Die Maler können sich nicht einigen. Noch nie herrschte nach einer Diskussion Einigkeit über die richtige Richtung. Die Journalisten rechnen sich ihr Zeilenhonorar aus. Sie erörtern die ewige Frage des Freiberuflichen: Wie verdiene ich mit möglichst wenig Arbeit möglichst viel Geld?
    An einem anderen Tisch sitzen ein paar Provinzler, die mit heimlichem Grauen einmal die Bohème der sündigen Großstadt erleben wollen. Sie halten die Augen offen und den Geldbeutel zu. Sie gehen in das »Romanische«, wie man in den Zoo, in den Zirkus oder zum Jahrmarkt geht. Neben ihnen vergnügen sich ein paar Studenten. »Ich zeige euch jetzt Hanussen«, sagt einer von ihnen zu seinem Nebenmann. »Reiß dir ein Haar aus, zeige es mir, und du wirst die Zukunft erfahren.«
    Der Student hält das Haar gegen das Licht, zieht seine Stirne in Falten und sagt mit tiefer Stimme:
    »Wenn du so weitermachst, wirst du eine Glatze bekommen.«
    In einer Ecke sitzt der Hellseher Möcke und rührt seinen Tee. Er ist Hanussens Gegenspieler. Er ist auch sonst das Gegenteil von ihm. Er ist leise und bescheiden. Er scheut die Öffentlichkeit. Er geht den Frauen aus dem Weg. Er befaßt sich mit Astrologie und ähnlichen Dingen. Er nimmt sie ernst. Aber welcher Astrologe täte das nicht? In Fachkreisen gilt Möcke als geschickt und zuverlässig. Der kleine, schmächtige, bescheidene Mann bietet also dem großen, dem lauten, dem unfehlbaren Hanussen Schach! Er greift ihn an. Er zieht Hanussens Prophezeiungen in Zweifel. Er versucht, in seinen Horoskopen Fehler nachzuweisen. David Möcke kämpft gegen Goliath Hanussen. Der Kampf hat etwas Rührendes und etwas Lächerliches. Er ist aussichtslos.
    Möcke legt seine Zeitung weg. Er sieht auf die Uhr. In zwanzig Minuten muß er in der Redaktion des ›Berliner Tageblattes‹ sein. Die Sonne tut gut. Er zahlt. Was ist los? Auflauf! Ein Durcheinander! Die Leute springen auf die Seite. Die Kellner rennen an die Theke. Vier, fünf kräftige Gestalten in SA-Uniform stürmen in das »Romanische«.
    »Polizei!« ruft jemand im

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