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Der Prophet des Teufels

Der Prophet des Teufels

Titel: Der Prophet des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Droschkenkutscher. Und am Ende steht die Straße.«
    Grace Cameron nickt. Sie kennt diese Gedanken. Sie hört diese Platte jeden Abend. Jeder Mann, der mit ihr tanzt, beginnt mit Moral und zielt auf das Gegenteil. Es ist die Moral, die der Sünde als schlechtes Gewissen voraushumpelt.
    Aber hier ist es anders. Ganz anders. Sie sieht Ismet an. Was ist los mit ihr? Wird sie alt? Sentimental? Ist sie untauglich für den Beruf, den sie so erfolgreich begann?
    »Gehen wir«, sagt sie.
    Der Geschäftsführer sieht ihr wütend nach. Morgen wird er sie vielleicht entlassen. Sie hat den Vertrag gebrochen. Sie hat sich vor vier Uhr morgens mit einem Gast entfernt.
    Grace und Ismet bummeln in die Nacht hinein. Sie küssen sich. Die Nacht endet. Ein Liebesroman beginnt …
    Der Meister erscheint mit einer Kompresse über der Stirn zum Frühstück. Man hat ihm in einem Lokal schlechten Sekt vorgesetzt, und der Morgen begann mit Kopfschmerzen. Das Leben eines Hellsehers ist mit peinlichen Lächerlichkeiten gepflastert. Warum merkt er nicht, daß Zucker im Wein ist, daß ihm der Schnürsenkel reißt, daß er mit dem Wagen in einen Nagel hineinfährt? Je näher man dem Meister Erik Jan Hanussen ist, desto weiter entfernt man sich von seinem Phänomen.
    »Was ist los mit Ihnen, Dzino?« fragt er schlechtgelaunt. »Gestern haben wir der Gräfin einen Mann verkauft, den sie längst hinter sich hatte. Und heute kommen Sie daher und sagen mir, daß Sie die neue Freundin von Direktor Meyers noch nicht gefunden haben. Werden Sie alt, oder sind Sie verliebt?«
    »Beides«, erwidert Dzino.
    Hanussen lacht, lang, breit, derb. Er verschluckt sich. Er pustet. Er lacht weiter.
    »Hört, hört«, sagt er zu seiner Runde, »unser Gigolo hat sich verliebt. Die besten Witze schreibt doch das Leben.«
    »Das ist noch nicht alles«, fährt Dzino fort, »ich werde das Mädchen heiraten.«
    Die Tischrunde lacht schallend. Dzino steht auf. Er geht in das Arbeitszimmer. Er geht an den übergroßen, aufdringlichen, extravaganten Schreibtisch seines Herrn und Meisters. Er überprüft die Tonaufnahmegeräte, die Mikrophone, die Beleuchtungseffekte, das Funktionieren des Vorhangs. Ob er rechtzeitig aufgeht, ob das Gesicht Hanussens im Augenblick der Prophezeiung rote, grüne oder gelbe Reflexe zeigt – das kann 3000 Mark Honorar mehr oder weniger ausmachen.
    »Jetzt wollen wir reden«, sagt Hanussen, der Dzino gefolgt ist, »wer ist sie?«
    Dzino setzt sich, zündet sich eine Zigarette an.
    »Sie werden mich auslachen«, sagt er, »aber das ist mir egal. Ich liebe sie. Sie ist schön und tapfer. Und sie liebt mich.«
    Hanussen lehnt sich in seinen Sessel zurück. Er verzichtet auf den Spott. Er wird ernst. Seine Haut ist fahl. Die ungesunde Lebensweise trägt ihre Hypothek auf seinem Gesicht ein.
    »Keine Umwege, Dzino, komm zur Sache!«
    »Sie ist Eintänzerin im ›Palais de Danse‹. Sie wares. Sie hat gekündigt.«
    Hanussen steht auf, geht im Zimmer hin und her. Dzino war eine Attraktion in seiner Villa. Wenn er heiratet, fällt er als Verwalter der Hanussen-Verehre-rinnen aus. Aber das ist ja nur eines seiner Teilgebiete.
    »Wie heißt sie?«
    »Grace Cameron.«
    Mit einem Ruck bleibt Hanussen stehen.
    »Das geht nicht«, sagt er. »Das ist ausgeschlossen.«
    »Ich werde sie heiraten, und wenn ich mich von Ihnen trennen muß«, entgegnet Dzino trotzig.
    »Einen Moment«, sagt Hanussen. Er bedeckt mit der Hand seine Augen. »Du hast sie im ›Palais de Danse‹ kennengelernt. Stimmt es? Du hast ihr unter einem Kronleuchter zum ersten Male die Hand gegeben. Du hast dich mit deinem Vornamen Ismet vorgestellt.«
    »Bitte keine Schau, Meister«, erwidert Dzino ironisch. »Jedermann weiß, daß Grace im ›Palais de Danse‹ arbeitet. Als belgische Schönheitskönigin ist sie ja nicht ganz unbekannt. Im Tanzpalast gibt es Dutzende von großen Kronleuchtern. Es ist unmöglich, dort jemanden zu treffen, ohne unter einem Kronleuchter zu stehen. Und mit dem Vornamen pflegt man sich gewöhnlich in Nachtlokalen vorzustellen.«
    »Du weißt nicht, was du sagst«, entgegnet Hanussen. Er schreit plötzlich: »Geh zum Teufel, Dzino. Geh doch zum Teufel! Hab' ich es ihr nicht gesagt, was ihr geschieht? Du wirst ein Mörder werden, Dzino. Ein Mörder und ein Selbstmörder!«
    Hanussens Assistent ist völlig gefaßt. Der Bühnendonner, die grollende Stimme des Meisters, die stoßweise gestammelte Zukunft – er kennt die Tour. Wie oft hat er die Platte selbst

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