Der Protektor von Calderon
jungen Kerlen sehen lassen.
Vielleicht wurde er langsam zu alt für diese Art von Spiel.
Fünf Minuten später marschierte die Kohorte Prima, die mit acht Zenturien doppelt so stark wie jede andere Kohorte war, zum schwer befestigten Tor der Stadt an der Nordseite des Tibers hinaus. Es ging im Laufschritt voran, die Stiefel schlugen zunächst hart und im Gleichschritt auf die Pflastersteine und klangen später dann dumpfer, als die Kolonne über weicheren Boden lief. Marcus führte die Legionares unter der fahlen, wolkenverhüllten Morgensonne an, lief neben der ersten Reihe und gab die Geschwindigkeit vor. Sie eilten durch das Labyrinth aus Zelten und Hütten, das die Stadt und die Brücke Elinarcus im Radius von einer halben Meile umgab.
Die Erdwälle auf der anderen Seite des Flüchtlingslagers waren nicht die einfachen Gebilde, die Legionares seit Menschengedenken aufschichten; sie waren aus Ton gebaut, den man vom Ufer und aus dem Bett des Tibers geholt und dann mithilfe von Feuerwirkern härter als die meisten Steine gebrannt hatte. Diese Wälle waren fünfzehn Fuß hoch und zwanzig Fuß dick, und ihnen fehlte zwar die dauerhafte Härte elementargewirkten Festungssteins, doch waren sie wesentlich haltbarer als die gewöhnlichen Erdwälle oder Holzpalisaden.
Marcus führte die Kohorte hinauf auf die Mauer über dem
breiten Tor, wo die Männer flink und geübt ihre Posten einnahmen. Er brüllte die wenigen an, die kleine Fehler begingen, und so war die gesamte Kohorte Prima bereits auf ihren Plätzen angekommen, ehe die Siebte und die Neunte überhaupt die Stadtmauern verlassen hatten.
Eine halbe Stunde verstrich in nervösem Schweigen, während sich hinter ihnen die Flüchtlinge langsam und verwirrt in die Sicherheit der Stadtmauern zurückzogen. Über ihnen flogen mehrere Ritter Aeris auf ihren Windströmen vorbei, immer in Richtung Osten, wenn sie nicht von dort kamen. Marcus spürte die vertraute Anspannung, die ihn stets befiel, wenn er sich auf einen Kampf vorbereitete. Die Stadt gegen einen Angriff auf diese Seite zu verteidigen wäre der schlimmste Fall, der eintreten konnte, und niemand hatte ihn je für möglich gehalten - aber wenn die Canim den Fluss überquerten, würde das ein sehr ungemütlicher Morgen für ihn und die Männer an den vorgeschobenen Verteidigungsstellungen werden.
Marcus schritt unermüdlich die Mauer ab, schalt Soldaten wegen falsch umgeschnallter Schwertgurte oder wegen kleiner Rostflecke auf dem Brustpanzer. Was die Verwünschungen und Flüche anging, so waren sie überaus unflätig, woran sich die Männer jedoch gewöhnt hatten. Das war der beste Weg, wie er seinen Männer Mut machen konnte. Und sich selbst ebenso.
Tribun Tactica Kellus, der ebenfalls Zenturio gewesen war, als er in die Erste Aleranische eingetreten war, kam eilig von der Neunten herübergelaufen und nickte Marcus zu. »Zenturio.«
Obwohl Marcus als Erster Speer den Befehl über die Kohorte Prima innehatte, die sich aus den besten Legionares zusammensetzte, stand Kellus im Rang über ihm. Marcus salutierte. »Tribun.«
»Hast du eine Ahnung, was hier vor sich geht?«
Marcus zuckte mit den Schultern. »Es gibt Berichte über eine unbekannte Streitmacht östlich von hier.«
Kellus verzog das Gesicht. »Das weiß ich.«
»Dann weißt du genauso viel wie ich.«
»Wieder eine Übung, was?«
Marcus schob die Lippen vor. »Nein, ich glaube nicht, Tribun. Der Hauptmann ist zwar verrückt danach, aber bei dieser Sache habe ich ein schlechtes Gefühl.«
Kellus knurrte. »Können doch nicht die Canim sein, oder? Bislang haben sie es nie geschafft, den Tiber in größerer Zahl zu überqueren.«
»Vielleicht haben sie eine Möglichkeit gefunden«, erwiderte Marcus. »So oder so …«
»Hallo auf der Mauer!«, erscholl ein Ruf von unten.
Marcus drehte sich um und sah einen eleganten kleinen Mann in der Uniform eines Legionsburschen unten stehen. »Guten Morgen, Magnus.«
»Habe ich Erlaubnis, zu dir hinaufzukommen und mit dir zu sprechen?«, rief der Bursche.
»Ja doch.« Marcus winkte ihn zu sich, und Magnus eilte die Treppe zum Wehrgang hinauf, wobei er rasch außer Atem geriet.
»Zenturio, Tribun«, schnaufte Magnus und nickte den beiden zu. »Gerade ist ein Bote vom Hauptmann eingetroffen. Er hat ausrichten lassen, dass eure Männer abtreten können.«
Marcus zog die Augenbrauen hoch.
»Es war also tatsächlich nur eine Übung«, stellte Kellus fest.
Marcus runzelte die Stirn und betrachtete
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