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Der Protektor von Calderon

Der Protektor von Calderon

Titel: Der Protektor von Calderon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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draußen. Ihr habt nicht zufällig einen Becher heißen Tee übrig?«
    »Kommt vor«, verlangte Schultus. »Bis zur Mauer. Ich will die Gesichter sehen.«
    Tavi und Ehren taten wie verlangt, und ein bleicher Kopf spähte unter einem Legionshelm hervor. Tavi erkannte den jungen Zenturio sofort.
    »Hauptmann!«, rief Schultus.
    »Bei den Krähen, Schultus«, schimpfte Tavi. »So dumm bist du doch gar nicht. Selbst wenn ich so aussehe wie ich, könnte ich
einfach nur ein Wasserwirker sein, der sich mein Aussehen gegeben hat. Hol Foss oder den Tribun Antillar oder Antillus, damit sie eine Wahrheitsfindung durchführen.«
    Schultus grinste. »Ja, Hauptmann. Du bleibst, wo du bist, Hauptmann.« Er zögerte kurz. »Du bist doch nicht etwa im Geheimen gekommen, oder? Sonst würdest du nicht die ganze Mauer zusammenschreien, nicht?«
    Tavi musste ebenfalls grinsen. »Ist kalt hier draußen, Zenturio. Du kannst uns reinlassen und unter Bewachung stellen, wenn es dir recht ist.«
    »Ja, Hauptmann!«, erwiderte Schultus. »Sechzig Schritt weiter nach Osten gibt es eine Öffnung. Dort treffen wir uns, Hauptmann.«
    »Danke, Zenturio. Einverstanden.« Tavi wendete das Pferd, und Ehren folgte ihm die Mauer entlang. Sie hörten, wie überall vor ihnen geraunt wurde - aufgeregte Soldaten erzählten die Nachricht von Scipios Rückkehr weiter.
    Tavi spürte die Emotionen, die von den Männern hinter der Mauer ausgingen. Aufregung, Neugier und diese schmerzvolle Angst, die mit jeder Schlacht einhergeht. Doch das wichtigste Gefühl für einen Kommandanten war Hoffnung. Während Tavi an ihnen vorbeiritt, kamen die Männer auf dem Wehrgang vor und nahmen Haltung an, als wären sie angetreten, und nicht, als würden sie ein Auge auf einen möglichen Spion werfen.
    Die »Öffnung« erwies sich als Mauerteil wie jeder andere, doch als sich Tavi näherte, schmolz der Stein wie Wachs und floss davon. Dadurch entstand ein Spalt, durch den sich ein Pferd quetschen konnte. Tavi ritt hindurch, wobei seine Knie zu beiden Seiten am Stein entlangstreiften, und er entdeckte alle sechs Ritter Flora der Ersten Aleranischen auf der Mauer über der Öffnung, wo sie sich bereithielten, tödliche Pfeile auf jeden abzuschießen, der die Öffnung zu seinem Vorteil ausnutzen wollte.
    Fast noch bevor Ehrens Pferd ganz hindurch war, verschlossen die Pioniere der Ersten Aleranischen, ein halbes Dutzend
erschöpft aussehender Männer, den Eingang von beiden Seiten und brachten den Stein wieder in seine ursprüngliche Gestalt. Zwei der Ritter Flora behielten Tavi und Ehren im Visier - wie es vorgeschrieben war, bis feststand, dass sie wirklich diejenigen waren, für die sie sich ausgaben.
    Tavi war damit zufrieden, erst einmal im Kreis des Feuerscheins, den Ehrens zischende Fackel warf, zu warten. Hier konnten ihn mehrere hundert Legionares sehen. Die Gespräche auf der Mauer waren lauter geworden und übertönten fast die Schreie der Krähen und der anderen Vögel im Bereich der Ruinen.
    Schultus trat aus der Dunkelheit auf sie zu. Der junge Zenturio der Schlachtkrähen-Kohorte war noch ein dummer Rekrut gewesen, als der Kampf um die Elinarcus entbrannte. Jetzt trug er viele Narben und war so oft geehrt worden, dass er der Stolz jeder Legion im Reiche gewesen wäre. Der Zenturio hielt in jeder Hand einen Zinnbecher, aus dem Dampf in die kühle Nachtluft aufstieg. Den ersten bot er Tavi an, den zweiten Ehren, und Tavi nahm den starken Tee dankbar entgegen.
    »Bitte, Hauptmann«, sagte Schultus und salutierte. »Vermutlicher Hauptmann«, berichtigte er sich.
    Tavi grinste. »Besten Dank, Mann.« Er schluckte etwas von dem heißen Getränk und betrachtete Schultus’ Haltung, die ganz im Gegensatz zu der müden Angst stand, die er ausstrahlte. Der Mann gab sich allergrößte Mühe, vor den Soldaten der Legion sorglos tapfere Gleichgültigkeit zu verströmen, aber er war eindeutig beunruhigt - und das mit gutem Grund. Tavi sah nicht halb so viele Männer auf der Mauer, wie die Verteidigung erfordert hätte, und demnach hatte die Erste Aleranische viele Ausfälle durch Verletzung und Erschöpfung zu beklagen. Außerdem war dieser Tee zu krähenverflucht stark. Niemand trank ihn so stark, mochte er auch noch so müde sein. Die Legion litt unter Wassermangel.
    Sie hatten Angst. Die Angst konnte eine Legion mehr Leben kosten als Klingen, und Tavi reagierte sofort darauf. Er nippte am
Tee und sagte so laut, dass ihn die Männer hören konnten: »Hm. Wolltet ihr das Zeug

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