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Der Protektor von Calderon

Der Protektor von Calderon

Titel: Der Protektor von Calderon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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den Händen. Sie hatte einen Pfeil mit messerscharfer, schwarz glänzender Steinspitze aufgelegt.
    Navaris bemerkte sie ebenfalls. Die Stecherin trat ruhig einen Schritt auf Isana zu und setzte der Wehrhöferin das Schwert an die Kehle.
    »Kitai«, keuchte Isana.
    »Guten Abend«, grüßte Kitai freundlich. Sie blickte zum Südhimmel und wandte sich dann an Navaris. »Was hältst du davon?«
    Navaris blieb reglos, ließ Kitai jedoch nicht aus den Augen.
    »Ich habe auch gar nicht angenommen, dass du es weißt. Ich habe allerdings auch keine Ahnung«, sagte Kitai. Sie schüttelte den Kopf und deutete mit einem Ende des Bogens auf Isana. »Geh weg von den beiden, Phrygiar Navaris, oder du wirst sterben.«
    Navaris verzog den Mund zu einem höhnischen Grinsen.
    »Ja«, räumte Kitai ein, »vielleicht könntest du meinen Pfeil aufhalten. Aber wie wäre es mit zwanzig?«
    Sie schob die Lippen vor und stieß erneut ein Trillern aus, und aus der Dunkelheit erschienen von überall her Marat-Krieger in Lederharnischen. Jeder trug einen Bogen wie Kitai, auf den ein Pfeil mit Steinspitze gelegt war.
    »Steinspitzen, Navaris«, sagte Kitai ohne jede Spur von Bosheit. »Aus allen Richtungen. Die kannst du gar nicht alle erwischen. Ohne Metall, das du spüren könntest.«
    Navaris’ Gesicht wurde ausdruckslos. Ihr Blick huschte umher, und sie schätzte die Lage ein.
    »Geh weg«, wiederholte Kitai.

    Zwanzig Marat-Krieger zogen die Sehnen ihrer Bogen gleichzeitig durch. Das Knarren der Bogen und das Surren der Sehnen klang wie eine alte Scheune im Sturmwind.
    Navaris zuckte nicht mit der Wimper. »Wenn du schießt, werde ich sie mit mir in den Tod nehmen.«
    »Ja«, sagte Kitai geduldig. »Deshalb darf ich dich ja auch nicht erschießen. Trotzdem. Geh weg.«
    »Warum solltest du mich nicht einfach töten, wenn ich von ihr weggehe?«
    »Dein Tod gehört nicht mir«, sagte Kitai. »Wir haben eine Münze geworfen. Und ich habe verloren.«
    Navaris zog die Augenbrauen hoch.
    »Geh«, sagte Kitai. Sie hob die Stimme und wandte sich offensichtlich an die anderen Marat. »Weder ich noch einer meiner Krieger wird dir etwas tun oder versuchen, dich daran zu hindern, von hier zu verschwinden.«
    Navaris überlegte eine Sekunde. Ein Lid zuckte mehrmals, und Isana wurde schwindelig von der Vielfalt und verworrenen Eindringlichkeit der Emotionen, die von der Stecherin ausgingen. Navaris empfand Schrecken, Verachtung, Freude, Gier, Lust und eine schreiende Befriedigung gleichzeitig, alles vermischt zu einem Brei in ihren Gedanken. Isana spürte die Barriere im Willen, die diesen Wirbelsturm von heftigen Gefühlen für gewöhnlich unterdrückte.
    Diese Barriere bebte wie die Erde unter ihren Füßen, doch sie brach nicht. Die formlose, farblose Masse des Willens überdeckte plötzlich die starken Emotionen, und sie verschwanden wieder in der Leere, die Phrygiar Navaris ausmachte. Die Frau senkte die Klinge, nickte und verließ den Kreis der Marat mit schnellen, leisen Schritten, während das rote Licht am Himmel nachließ.
    Kitai eilte zu Isana und kniete sich neben sie. Dabei ließ sie jedoch Navaris nicht aus den Augen. Nachdem die Singulare verschwunden war, zog Kitai ein Messer und murmelte: »Verrücktes Weib.«

    Rasch befreite sie Isana und Araris von ihren Fesseln und erhob sich. »Schnell«, sagte sie. »Wir haben wenig Zeit.«
    Araris kam schwankend auf die Beine, doch Isana konnte sich nicht erheben. Ihre Beine und ihr Rücken versagten ihr den Dienst, und zu ihrer Verlegenheit konnte sie nicht einmal stehen.
    »Helft ihr«, verlangte Kitai, und Isana wurde von zwei kräftigen Barbarenreitern angehoben, auf jeder Seite von einem. Kitai knurrte ungeduldig und ging los. Araris humpelte ihr hinterher, und Isana wurde von ihren Trägern mehr oder weniger über den Boden geschleift. Auf dem Weg kamen sie zu dicht an einem Feldlazarett vorbei. Der Schmerz und die Angst der Verwundeten trafen sie wie eine Lederpeitsche.
    Isana wappnete sich dagegen und richtete ihre Aufmerksamkeit auf andere Dinge in der Umgebung, bis sie an dem Lazarett vorbei waren. Das rote Licht am Himmel war nahezu vollkommen erloschen, nur ein dünnes rotes Band am südlichen Horizont war geblieben.
    »Kitai«, fragte Isana. »Wo sind wir? Wie bist du hierhergekommen?«
    »In den Ruinen vor Werftstadt«, antwortete Kitai knapp. »Die Leute meiner Mutter-Schwester haben mir im Dunkeln ein Seil heruntergelassen. Ich sollte euch finden.«
    »Warum?«
    »Damit Arnos euch

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