Der Protektor von Calderon
ursprünglich als Mörtel verwenden?«
»Das sollten Ziegel werden«, meinte Schultus. »Aber dieser Tollpatsch Gregus hat sie verwässert.«
»So genau wollte ich es gar nicht wissen«, erwiderte Tavi.
Überall auf der Mauer wurde gelacht.
Schultus grinste und sah sich um. »Hauptmann …, wenn ich mir die Frage erlauben darf: Warum bist du zurückgekommen?«
Tavi nippte wieder am Tee. Er hatte gar nicht bemerkt, wie erschöpft er eigentlich war, bis das Getränk nun wieder ein bisschen Leben in seine Glieder zurückbrachte. »Wie? Ach, Schultus. Von einem Hauptmann bekommt man doch nie eine eindeutige Antwort. Das solltest du inzwischen begriffen haben.« Er trank wieder Tee, während die Männer erneut leise lachten. »Die Krone hat für uns noch was Schlimmeres gefunden als das hier, und wir haben Befehl, sofort dorthin aufzubrechen.«
Schultus deutete auf die Ruinen und die abgekämpften Männer um sie herum. »Und das alles lassen wir zurück?«
Sofort erhob sich von der Mauer und aus den Ruinen ein Chor gespielter Enttäuschung.
Schultus hatte begriffen, worum es Tavi ging, und er unterstützte ihn bei seinem Versuch, ein wenig Druck von den Männern zu nehmen. Er war wirklich klug für sein Alter, vor allem, wenn man bedachte, was für einen Tag er hinter sich hatte, und Tavi nickte ihm anerkennend zu. »Sieht so aus, Zenturio. Du bekommst in Kürze deinen Marschbefehl.«
»Ja, Hauptmann«, sagte Schultus und salutierte. Man hörte Stiefeltritte, die sich näherten, und Schultus wich zurück, als eine Gruppe eintraf, die aus Antillus Crassus und mehreren Ritter Terra sowie dem stämmigen Valiar Marcus bestand.
»Schultus?«, rief Crassus und klang verärgert. »Warum lässt du mich aus einem Treffen holen? Ich hoffe, du hast einen guten Grund dafür. Und wer bei den Krähen hat erlaubt, dieses Licht …«
Crassus blieb plötzlich stehen, als er den Lichtschein erreichte, und riss die Augen auf. Er öffnete den Mund, als wollte er etwas rufen, aber dann presste er mit sichtbarer Anstrengung den Mund zu und nickte Tavi stattdessen knapp zu. »Zenturio. Wurde er schon überprüft?«
»Nein, Hauptmann«, erwiderte Schultus. »Tribun Foss lässt grüßen und ausrichten, er habe zu viel zu tun, um Botengänge zu erledigen.«
»Damit hat er heute Nacht wohl recht.« Crassus seufzte.
Tavi stieg ab, nahm den Tee in die linke Hand und wartete schweigend.
Crassus vergewisserte sich, dass die Ritter Flora aufpassten, ehe er zu Tavi kam und ihm die Hand anbot. Sie schüttelten die Hände.
»Dein Name?«, fragte Crassus.
Tavis Welt blieb für einen Moment stehen.
Jede Einzelheit drang kristallklar auf ihn ein - der Geruch der rußenden Fackel, das Klirren der Rüstungen auf dem Wehrgang, das trübe Glitzern des Fackelscheins auf den verbeulten Rüstungen. Eine Stelle in Crassus’ Haar war zu Stoppeln verbrannt, beinahe bis an die Kopfhaut, und die roten Steine im Griff des Canim-Dolches in seinem Gurt funkelten. Der Mond und die Sterne verharrten für einen Augenblick, und Tavi stand ganz allein im Universum mit einer einzigen Tatsache:
Den größten Teil seines Lebens hatte er eingehüllt in einen Kokon aus Lügen und Halbwahrheiten verbracht.
Nach diesem Moment, nach diesem Atemzug, würde sich alles ändern.
»Früher«, sagte er leise, »wurde ich Tavi von Bernardhof genannt, aus dem Calderon-Tal bei Riva. Danach wurde ich zu Tavi Patronus Gaius und Tavi ex Kursori. Du, Crassus, hast mich dann als Rufus Scipio, dritter Subtribun und späterer Hauptmann der Ersten Aleranischen kennen gelernt.«
Auf dem Hügel und in der Ruine herrschte vollkommene
Stille. »Doch mein wirklicher Name«, sagte er und hob die Stimme, so dass sie von den Mauern und Ruinen widerhallte, »lautet Gaius Octavian, Sohn des Gaius Septimus, Sohn von Gaius Sextus, Erster Fürst von Alera.«
Und als dieser Name durch die Nacht hallte, leuchtete der Himmel in rotem Schein auf.
Tavi war nicht sicher, was da vor sich ging, doch das Licht befand sich hinter ihm im Süden und erleuchtete die gesamte Hälfte des Himmels, als habe er die Sonne von ihrer Reise durch die Dunkelheit zurückgerufen, um seine Gegenwart ins Licht zu setzen. Der Schein erhellte die Ruinen und enthüllte die erschöpften, entsetzten und ehrfürchtigen Gesichter der Legionares , die mit Schmutz und Blut verschmiert waren. Er erzeugte Schatten vor ihm und umfing Valiar Marcus, Crassus und die Ritter, die sie begleiteten.
Und das Licht beleuchtete eine
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