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Der Puls von Jandur

Der Puls von Jandur

Titel: Der Puls von Jandur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mara Lang
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kann an einem Glauben richtig sein, der Menschen dazu bringt, sterben zu wollen? Das ist doch abartig!«
    Mayki setzte sich zu ihnen an den Tisch, ganz nah zu ihrem Mann. Sie griff nach seiner Hand und er legte den Arm um ihre Schulter.
    »Der Glaube an den Kreislauf des Lebens ist uralt«, sagte Sebastján. »Und er ist nicht generell falsch. Falsch ist nur, was die Bruderschaft daraus gemacht hat. Alles Leben zehrt, was tot ist, nährt – das ist der Leitgedanke, was grob übersetzt bedeutet: Jeder Puls, der in den Quell eingeht, stärkt dessen Energie und diese wiederum spendet den Lebenden Kraft. Leben und Tod sind eine Einheit, ein empfindliches Gleichgewicht. Die Aufgabe der Quellbrüder war es, dieses Gleichgewicht zu erhalten und zu behüten. Über Jahrhunderte hinweg war Eznar ein Ort des Lebens, nicht des Todes. Kranke konnten durch den Quell Heilung erfahren, verirrte Seelen wurden durch die Brüder auf den rechten Weg zurückgebracht, Verzweifelten wurde Trost gespendet.«
    »Heilung?«, fragte Matteo. »Was ist der Quell? Ein Wunderelixier? Gibt es ihn tatsächlich oder ist das ein Märchen?«
    »Es gibt ihn sehr wohl«, sagte Aduka, »du wirst ihn im Tempel sehen. Der Quell ist eine energetische Flüssigkeit von höchster Reinheit und ungemeiner Kraft, strahlend hell und pulsierend.«
    Sebastján nickte. »So wird er beschrieben. Jeder Gläubige, der zum Beten in den Tempel kommt, erhält eine Segnung durch den Obersten Quellbruder. Das verspricht Kraft und Gesundheit. Über seine Wirksamkeit kann ich nur spekulieren, ich hatte nie die Ehre, in seinen Genuss zu kommen. Aber Glaube kann Berge versetzen, wie du weißt, und wir können davon ausgehen, dass dies den Effekt verstärkt.«
    Matteo schwieg. Er konnte die vielen Informationen kaum verdauen. Die ganze Zeit hatte er gerätselt, was es mit dem Quell und der Bruderschaft auf sich hatte. Lith hatte ihm kümmerliche Brocken zugeworfen, damit er Frieden gab und keine Fragen stellte. Wie ein Pony hatte sie ihn dressiert, ein Leckerli hier, eines da. Und auf einmal öffneten sich die Tore zur Welt und alles stürmte gleichzeitig auf ihn ein. Die Verwirrung musste ihm ins Gesicht gezeichnet sein, denn Sebastján setzte in seinen Ausführungen fort.
    »Dann aber verschrieben sich die Brüder dunklen Mächten. Sie legten die Glaubensgrundsätze nach ihrem Gutdünken aus und verfolgten ein neues Ziel: die Quellenergie zu intensivieren. Es war eine simple Rechnung: Wenn mehr Pulse in den Kreislauf eingingen als neues Leben entstehen könnte, dann müsste die Kraft des Quells theoretisch ansteigen. Seine Energie müsste sich verdoppeln, verhundertfachen und mehr. Das war auch der Fall. Es gibt Geschichten über Wunderheilungen von Gelähmten, Blinde erhielten durch den Quell ihr Augenlicht zurück, Sterbenskranke wurden gesund. Kommt dir das bekannt vor, Matteo?« Er zwinkerte ihm verschwörerisch zu und genoss es sichtlich, dass Matteo seine Anspielungen kapierte. Dass hier jemand war, der alte Erinnerungen aufleben ließ.
    »Wie dem auch sei«, fuhr er fort, »die Leute waren dennoch nicht bereit, freiwillig in den Tod zu gehen, und die Quellbrüder begannen systematisch alle Ungläubigen aufzuspüren und zu töten. Was lag näher, als die Gabe der Squirre für diese Zwecke zu nutzen? So wurden auch sie zu Gejagten und mussten ihre Heimat Hederra verlassen und in die Berge flüchten. All das geschah unter dem Vorwand, den Glauben verteidigen und verbreiten zu wollen und mit der Unterstützung des Kaiserhauses. Das waren die dunkelsten Zeiten Jandurs.«
    »Wie ging es weiter?«, fragte Matteo atemlos.
    »Glücklicherweise setzte Kaiser Giléro dem Treiben ein Ende. Viele Quellbrüder wurden zur Rechenschaft gezogen und hingerichtet, der Orden wurde sogar für einige Zeit verboten. Die Bruderschaft aber führte ihre Machenschaften im Geheimen fort und erstarkte wieder. Nach Giléros Tod übernahm sein Sohn die Herrschaft über Jandur und danach dessen Tochter. Sie war noch sehr jung, als sie an die Macht kam, fast noch ein Kind.
    Einer ihrer Ratgeber war ein Vertreter der Bruderschaft und angeblich auch ein Magier. Unter seiner Anleitung entwickelte die Kaiserin besondere Kräfte, was nicht weiter verwunderlich war, denn in ihrer Ahnenreihe finden sich auch Elfen. Sie wandte sich dem Glauben der Quellbruderschaft zu, erließ neue Gesetze und erarbeitete ein Konzept, das den Menschen den Gang ins Quellparadies schmackhaft machen sollte. Tempel wurden gebaut,

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