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Der Puppen-Galgen

Der Puppen-Galgen

Titel: Der Puppen-Galgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Es scharrte noch einmal mit seinen Hinterläufen, dann machte es auf der Stelle kehrt.
    Hetzte in langen Sprüngen die Stufen hoch. Oben blieb der Hund stehen. Er drehte sich und schaute zurück, als wollte er zum Ausdruck geben, daß dem Menschen nicht zu helfen war. Dann zog er sich leise jaulend zurück.
    Die Puppensammlerin schüttelte den Kopf. Sie war schon etwas irritiert, denn sie konnte sich das Verhalten des Tieres nicht erklären. Der Hund hatte sie wohl vor etwas warnen wollen. Vor dem Eintritt in den Keller.
    Aus der Tasche holte Melle den flachen Schlüssel. Sie steckte ihn in das alte Schloß und drehte ihn herum.
    Die Tür war so verschlossen gewesen, wie sie sie verlassen hatte.
    Niemand hatte sich daran zu schaffen gemacht. Trotzdem zögerte sie vor dem Betreten des Kellers einen Augenblick.
    Es war der Geruch, den sie auch kannte. Leicht muffig. Das lag an den Sitzen, die Melle aus einem alten Kinoraum gerettet hatte, der kurz vor dem Abriß gestanden hatte.
    Sie betrat ihr Theater, machte Licht und schloß die Tür hinter sich.
    Alles normale Bewegungen und Tätigkeiten, schon oft praktiziert, aber trotzdem kamen sie ihr heute wie neu vor. Als hätte sie diesen Kellerraum zum erstenmal in ihrem Leben betreten. Aber der Geruch war der gleiche geblieben – oder?
    Sicher war sich Melle nicht. Da schwang und schwebte etwas in der Luft, mit dem sie nicht zurechtkam. Ein alter und modriger Gestank, der sich beim Einatmen schwer auf die Atemwege legte.
    Sie blieb im Vorraum stehen, die Arme leicht vom Körper abgespreizt, und sie schaute gegen die auf Rädern stehenden Garderobenstangen, an denen noch keine Bügel hingen.
    Eine Garderobe mußte es geben. Ebenso Toilettenräume.
    Vor ihr lag der eigentliche Theaterraum. Noch versperrte ihr eine Tür den Weg. Hinter ihr führte eine vierstufige Gittertreppe aus Eisen in den Zuschauerraum.
    Auf der Plattform der kleinen Treppe blieb Melle stehen, nachdem sie das Licht eingeschaltet hatte.
    Die Deckenstrahler bildeten ein großes Viereck und somit einen künstlichen Himmel, von dem herab die Sterne strahlten. Das Licht fiel auf die alten Plüschsitze. Der Cordstoff hatte sein geripptes Muster längst verloren. Unzählige Kinobesucher hatten darauf gesessen.
    Die alten, durchgesessenen Stühle störten Melle nicht, reichten ihre finanziellen Mittel doch nicht aus, neue Sitze anzuschaffen.
    Später vielleicht.
    Ihr fiel nichts Ungewöhnliches auf, als sie über die Lehnen der alten Sitze hinwegschaute. Der Blick auf die Bühne war ihr verwehrt, denn der rote Vorhang war zugezogen. Auch ihn hatte sie aus dem Kino retten können. Entsprechend schlecht war sein Zustand.
    Um die Bühne zu erreichen, mußte sie entweder rechts oder links an den zehn Sitzreihen vorbeigehen. Einen Mittelgang gab es nicht.
    Melle Fenton entschied sich für die rechte Seite. Einige Metallstufen ächzten unter dem Gewicht der Frau, aber sie hielten ihm stand. Da brach nichts zusammen.
    Melle war gespannt. Mit zitternden Fingern knöpfte sie ihren Mantel auf.
    Diese Nervosität gefiel ihr überhaupt nicht. Sie konnte sich auch keinen Grund vorstellen, aber jeder Schritt brachte sie dem Ziel näher.
    Leider mußte der Vorhang noch mit der Hand aufgezogen werden, was Kraft kostete.
    Da die Bühne höher lag als der Zuschauerraum, führte eine dreistufige Holztreppe zu ihr hoch. Melle Fenton ließ sie rasch hinter sich und blieb dicht vor dem Vorhang stehen.
    Im Laufe der Jahre war der Vorhang schmutzig geworden. Wenn er bewegt wurde, hüllte er sich in seinen eigenen Staub. Wer sich dann in der Nähe befand, mußte husten oder niesen.
    Der Vorhang stank auch.
    Nicht nur nach Schmutz, sondern auch nach altem Blut!
    Melle schluckte. Sie konnte sich den Grund dafür nicht erklären.
    Ihr Mund zuckte, als sie sich umdrehte und nach der langen Kordel faßte, die hoch über ihrem Kopf über eine Hebelrolle lief. Melle zog an der Kordel mit beiden Händen. Sie hörte die üblichen Quietschgeräusche, und wie immer hinterließen sie bei ihr einen besonderen Schauder. Hand über Hand zog sie, und die zwei Hälften des Vorhangs glitten auseinander. Die Bühne öffnete sich.
    Melle ließ die dicke Kordel los und drehte sich langsam um. Ihr kam es vor, als würde sie es zum erstenmal tun.
    Und wieder zitterte sie.
    Dann fiel ihr Blick auf die Bühne, die mit schwarzem Teppichboden ausgelegt war.
    Ein Gestänge schälte sich aus dem Halbdunkel hervor!
    Melle ging darauf zu. Kein Licht auf der Bühne.

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