Der Puppen-Galgen
links.
Ich sah sie zwischen den Sitzreihen. Sie hob die Arme, zielte auf meinen Körper, den ich schützend vor Jane Collins gestellt hatte.
Das irre Gelächter hallte durch das Theater. Seine Akustik machte es noch schlimmer.
Der Schuß fiel.
Und auch ein zweiter!
Aus dem Lichtschein hervor blickte ich in den Zuschauerraum. Somit zwar ins Dunkel, aber ich sah trotzdem, was dort genau passiert war.
Melle Fenton stand noch auf ihren Beinen. Aber sie hielt die Waffe nicht mehr fest, denn sie benötigte beide Hände, um sich an der Lehne des vorderen Stuhls abzustützen.
An der rechten Seite hatte sich Suko hingestellt und winkte mir beruhigend zu.
Ich kümmerte mich um die zitternde Jane. Ihr Gesicht sah aus wie eine bleiche und schweißbedeckte Maske. Es war nicht einfach, die verdammte Schlinge zu lösen, und ich mußte Jane dabei anheben. Suko bekam von meinen Problemen mit. Er lief auf die Bühne und half mir, Jane Collins endgültig zu befreien.
Als ich die Schlinge über ihren Kopf streifte, da riß sie zum erstenmal den Mund weit auf und holte tief Luft.
Sie keuchte dabei und faßte an ihren Hals, wo ein Teil der Haut aufgescheuert war.
Noch immer lag der Ausdruck der Panik in ihren Augen. Da war Rettung in letzter Minute gewesen. Länger hätte sie es wohl nicht mehr ausgehalten. Ich trug Jane von der Bühne. In der ersten Reihe fand sie auf einem Stuhl Platz.
Dann schauten Suko und ich nach Melle Fenton. Mein Freund, der nicht einmal einen Streifschuß abbekommen hatte, weil sich Melle mit den Waffen nicht auskannte, hatte besser getroffen.
Zwei Einschüsse.
Einer im Kopf.
Der andere im Hals.
Melle Fenton lag eingeklemmt zwischen zwei Sitzreihen. Die Treffer hatten ganze Arbeit geleistet. Sie würde nie mehr zu einem neuen, unheimlichen und düsteren Leben erwachen.
Das geweihte Silber hatte ihrer Existenz ein Ende bereitet.
»Sie hat zu hoch gepokert«, sagte Suko und hob die Schultern.
»Ja«, bestätigte ich. »Wie so viele…«
***
Jane ging es erst besser, als wir den Keller verlassen hatten. Sehr vorsichtig bewegten wir uns über die Treppe nach oben und suchten dabei auch die Dächer ab.
Von Dracula II, dem riesigen Vampir, war nichts mehr zu sehen.
Zumindest nicht auf einem der Dächer.
Aber weiter oben, wo sich Wolken und auch hellere Flächen abzeichneten, bewegte sich ein Schatten und schien hineinzugleiten in die Unendlichkeit.
»Ist er das?« fragte Jane krächzend.
Ich hob die Schultern. »Vielleicht. Es wird aber bestimmt nicht mehr lange dauern, bis er zurückkehrt.«
»Ja«, erwiderte Jane, »das befürchte ich auch…«
ENDE
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