Der Puppen-Galgen
gingen wir hin. Ich schaltete das Licht ein, und wir staunten über den großen Raum, der ziemlich leer wirkte, weil in ihm nur der Schreibtisch stand, mit einem Stuhl davor. Ansonsten waren die Wände kahl und nur von der vergilbten Tapete bedeckt.
Auf der Sitzfläche lag eine bunte Stofftasche. Die nahm sich Jane vor, während Suko und ich uns den Schreibtisch anschauten. An der rechten Seite gab es vier Fächer. Wir zogen sie hervor. Suko untersuchte zwei, ich die beiden anderen. Außer einigen leeren Blättern und zwei Bleistiften fanden wir darin nichts, höchstens Staub.
»Mist«, resümierte ich.
Suko schwieg.
Er ging zum Fenster und schaute nach draußen in die Dunkelheit auf der Rückseite.
Ich wandte mich an Jane. Sie beschäftigte sich noch immer mit der Stofftasche und wühlte in ihr herum.
So einiges beförderte sie ins Freie, das sie auf den Stuhl legte.
Taschentücher, eine kleine Kosmetiktasche, die ich aufklappte, einen Spiegel, Lippenstift und eine Puderdose. Jane hatte ihre Hand tief in die Tasche getaucht. An ihrem Gesicht las ich ab, daß die Suche noch nicht beendet war. »Da ist noch etwas«, sagte sie murmelnd.
»Was denn?«
»Papier.«
Ich mußte grinsen.
»Lach nicht.« Sie zog die Hand wieder hervor. Zwischen ihren Fingern klemmte das Papier. Es war nicht leer, sondern zeigte einige Zeichnungen.
Auf dem Schreibtisch breiteten wir sie aus. Es war der Grundriß eines Hauses, das allerdings nicht allein stand, sondern noch von anderen Bauten eingeklemmt wurde.
»Es muß das Theater sein«, sagte Jane.
Wir stimmten ihr zu.
Leider war kein Name zu sehen, aber an der unteren Seite, wo auch der Eingang eingezeichnet worden war, entdeckten wir eine Beschriftung.
Jemand hatte dort etwas mit Bleistift hingeschrieben und anschließend wieder ausradiert. Trotzdem waren noch einige Buchstaben zu entziffern. Wir sahen auch, daß es einmal zwei Worte gewesen sein mußten.
»Street steht da«, sagte Jane nach ein paar Sekunden.
»Fehlt uns nur das Wort davor.«
»Darf ich mal?« fragte Suko, bevor sich einer von uns bücken konnte.
Wir machten unserem Freund Platz, der sich bückte und konzentrierte.
»Dayton Street«, murmelte er. »Oder Crayton.«
»Nein, Dayton!« rief Jane.
Wir starrten sie an. Sie lächelte. Dann nickte sie. »Ja, ich kenne die Straße.«
»Und wo liegt sie?«
Sie winkte ab. »In einer recht finsteren Ecke. In einem alten Wohnbezirk südlich der Themse. Ich habe schon vor längerer Zeit in den einschlägigen Gazetten gelesen, daß diese Gegend ein anderes Gesicht erhalten soll. Man will einige Häuser abreißen und Begegnungsstätten errichten. Kleine Theater, Jugendtreffs. Dafür hat man auch Sponsoren gesucht.«
Ich mußte lachen. »Wenn es stimmt, dann hat Melle Fenton in Mallmann einen ganz besonderen Sponsor.«
»Jedenfalls wissen wir jetzt Bescheid.«
»Das ist richtig«, bestätigte ich. »Okay, worauf warten wir dann noch?«
Ich war der erste, der kehrtmachte und wieder zurück in die hallenähnliche Diele ging.
Wir hatten das Licht nicht ausgeschaltet, und so war auch noch die große Diele beleuchtet.
Ich blieb stehen, schüttelte den Kopf. Mein Mund öffnete sich, aber nicht ich sprach die Worte aus, sondern die hinter mir stehende Jane Collins.
»Wo sind denn die Puppen?« flüsterte sie…
***
Ja, wo waren die Puppen?
Sie waren nicht mehr da. Sie waren verschwunden. Einfach weg.
Damit hatte keiner von uns rechnen können.
Aber wer immer sie auch lenkte und befehligte, er war verdammt schlau gewesen und hatte sie angezogen.
Suko ging an mir vorbei. Er durchquerte den großen Raum und ging unter dem Bogen hindurch in den Wohnraum, den er ebenfalls durchsuchte.
»Wir sind eben nicht perfekt«, sagte Jane. »Sie haben uns reingelegt, in die Falle tappen lassen. Die Tür war offen, und wenn du dich draußen umschaust, gibt es dort genügend Verstecke. Hinzu kommt die Dunkelheit, deren Schutz sie ausnutzen können. Daß wir sie suchen, hat keinen Sinn, John.«
»Ja, das denke ich auch.«
»Und was machen wir jetzt?«
»Es bleibt bei unserem Plan. Wir werden dem Theater einen Besuch abstatten.«
»Vielleicht haben die Puppen ja den gleichen Weg genommen und sind schon unterwegs.«
»Du wirst lachen, Jane, ich schließe mittlerweile nichts, aber auch gar nichts mehr aus.«
»Ich ebenfalls nicht.«
Suko kehrte von seiner Durchsuchung zurück. Seinem Gesicht lasen wir ab, welchen Erfolg er gehabt hatte. Er schüttelte nur den Kopf und
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