Der Puppen-Galgen
gefüllt.«
»Alle?« fragte ich.
»Das kann ich dir nicht sagen.« Jane hob die Schultern. »Ich habe nur diese eine Puppe erschossen.« Sie lachte. »Hört sich stark an – erschossen.« Dann schüttelte sie den Kopf. Ihr Gesicht zeigte ein unechtes Lächeln. »Man macht schon viel mit, denke ich. Aber ich bin froh, daß ihr hier seid. Das ganze Haus scheint verseucht zu sein.«
»Wie viele Puppen waren es denn?« wollte ich wissen.
»Keine Ahnung.«
Ich ließ nicht locker. »Mehr als zehn?«
»Bestimmt.« Sie schaute zum Haus. »Ich weiß auch nicht, ob ich alle entdeckt habe. Ich war zwar in der oberen Etage, aber dort konnte ich keine sehen. Vielleicht haben sie sich versteckt gehalten. Möglich ist schließlich alles.«
Wir nickten uns zu, und ich sagte: »Dann wollen wir mal nachschauen, denke ich.«
Jane hielt mich nicht zurück. »Rechne damit, daß du mit Messern, Gabeln und Werkzeugen angegriffen wirst.«
»Aber nicht mit Löffeln – oder?«
»Laß dein Grinsen, John. Die kleinen Biester sind gefährlich. Sie können auch tödlich sein.«
Da hatte sie wohl nicht gelogen, denn auch ich hatte schon Erfahrungen mit dämonisierten Puppen sammeln müssen. Ich fragte mich nur, wer die Fäden im Hintergrund zog. Selbst konnte ich mir keine Antwort geben, deshalb wandte ich mich an Jane.
»Weißt du, wem sie gehorchen? Wer ihr Herr und Meister ist?«
»Nein, weiß ich nicht.«
»Irielle Fenton?«
Sie hob die Schultern. »Eigentlich ja, aber ich traue es ihr nicht zu. Das würdest du auch nicht, wenn du sie gesehen hast.«
»Das wird sich ja wohl bald zeigen.«
»Richtig, John, aber laß mich ausreden. Sie ist kein harter Typ, wenn du verstehst. Sie ist mehr eine Puppenmutter, die in ihrer eigenen Welt lebt. Sie hat für die Puppen das Theater gebaut, das kurz vor der Eröffnung steht. Sie wird ja nicht nur ihre Lieblinge dort hineinlocken, sondern auch Zuschauer.« Jane warf mir einen wissenden Blick zu. »Du verstehst, John?«
»Ja, das denke ich. Wer immer auf den Stühlen Platz nimmt, könnte die Hölle erleben.«
»Genau so ist es.«
»Deine Klientin, Irielle Fenton, hat bereits in einem Sarg gelegen. Und wen legt man in einen Sarg?« fragte ich.
»Eine Tote natürlich.«
»Das ist der springende Punkt.«
Jane schaute für einen Moment zu Boden. »Da muß ich erst mal die Gedanken ordnen«, murmelte sie. »Irielle Fenton hat als Tote in einem Sarg gelegen und auf ihre Beerdigung gewartet. Dazu kam es jedoch nicht mehr. Sie ist dann aus dem Sarg verschwunden, der übrigens nicht zerstört gewesen ist. Jemand muß ihn geöffnet haben…«
»Oder sie selbst ist es gewesen.«
»Von innen?«
Jane hob die Schultern. »Ich traue ihr mittlerweile alles zu. Aber wenn sie tot gewesen ist, nun aber lebt, dann kann sie nicht mehr normal sein. Dann hätte ich es mit einem Zombie zu tun gehabt. Oder sehe ich das in euren Augen falsch?«
»Nein, das ist schon okay.«
»Irrtum, John, du hast aufs falsche Pferd gesetzt. Sie ist kein Zombie. Das hätte ich bemerkt. Oder traust du mir so etwas nicht zu?«
Ich hob beide Hände. »Wenn jemand eine Fachfrau ist, dann bist du es, Jane.«
»Eben. Ich kann dir schwören, daß ich mit einem normalen Menschen gesprochen habe und nicht mit einer lebenden Leiche. Auch wenn das Begreifen noch so schwer ist. Man muß euch beiden einen Bären aufgebunden haben.«
»Welchen Grund sollte der Kollege Donaldson gehabt haben? Ich kann mir keinen vorstellen.«
»Das weiß ich auch nicht, John.«
»Die Puppen können uns keine Antwort geben«, sagte Suko. »Trotzdem sollten wir uns die kleinen Killer mal aus der Nähe anschauen.« Er fragte Jane. »Müssen wir unsere Waffen ziehen?«
»Keine Ahnung. Aber sicher ist sicher.«
»Okay, dann bleib du mal zurück.« Suko machte den Anfang und zog die Tür weiter auf. Nicht nur er konnte in das Haus und in den geräumigen Eingangsbereich hineinschauen, auch Jane und mir gelang der Blick in diese Umgebung.
Ja, es gab die Puppen!
Jane hatte nicht gelogen.
Sie waren da, und sie hatten sich in dem Raum verteilt wie Aufpasser.
Sogar bis zur Treppe waren sie zurückgegangen und hielten die beiden untersten Stufen besetzt.
Die große Blutlache auf dem Boden fiel uns ebenfalls auf. Sie lag dort wie ein makabrer Farbklecks.
»Ich packe es nicht!« flüstere Suko, als er einen kleinen Schritt nach vorn ging. »Das ist ja wie auf einer Bühne, wo jeder Akteur auf das Zeichen des Regisseurs wartet.« Er zögerte damit, das
Weitere Kostenlose Bücher