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Der Puppendoktor

Der Puppendoktor

Titel: Der Puppendoktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Aubert
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kleines, ersticktes Stimmchen:
    »Hier, in der Röhre!«
    Marcel lief zu der Röhre, Nadja lief zu Marcel. Er hob mit einem Ruck den schweren Zementsack hoch und warf ihn hinter sich. Er bückte sich und hatte plötzlich ein kleines Gesichtchen vor sich, das von Schweiß, Tränen und Rotz bedeckt war. Der Junge war halb erstickt.
    Er zog ihn heraus. Nadja stürzte sich auf ihn und umarmte ihn leidenschaftlich. Marcel überlegte. Das Kind hatte die Zementsäcke nicht hierher ziehen können. Und schon gar nicht vor beide Öffnungen. Jemand hatte sie absichtlich dorthin gelegt. Damit Momo in der Röhre erstickte? Oder war es einfach nur ein dummes Spiel?
    Nadja wischte Momo das Gesicht ab, schimpfte ihn in ihrer Sprache aus und sagte dann:
    »Bedank dich bei dem Monsieur!«
    »Es ist nicht meine Schuld. Der andere ist schuld, der, der mich fressen wollte. Es war ein Wolf, ich habe einen großen Wolf gesehen. Weißt du, Maman, wie in der Geschichte …«
    »Lügner, ich reiße dir den Kopf ab! Lügner, du bringst deine Mutter noch ins Grab!«
    »Aber es stimmt! Er hat gesagt: >Komm, komm, damit ich dich fressen kann!<«
    Marcel griff ein:
    »Wer wollte dich fressen? Wie sah sein Gesicht aus?«
    »Er hatte einen großen Kopf mit langen weißen Zähnen und großen roten Augen.«
    »Momo, denk genau nach. Ich will dir ja gerne glauben, aber erzähl nicht irgendwas .«
    Momo beharrte:
    »Und überall Haare!«
    Marcel seufzte. Wie Frank in diesem Alter, als die Schreckgespenster unter seinem Bett wuchsen und sich gierige Saurier in der Toilette versteckten.
    »Im Augenblick kommen wir nicht weiter, lassen Sie nur. Soll ich Sie nach Hause bringen?«
    »Nein, nein, das ist nicht nötig. Vielen Dank.«
    »Falls er doch eine genauere Beschreibung abgeben sollte, sagen Sie mir Bescheid, warten Sie …«
    Marcel riss ein Blatt von seinem Strafzettelblock ab und schrieb seinen Namen und seine Telefonnummer darauf. Das war zwar gegen die Vorschriften, aber das war Marcel egal.
    »Marcel Blanc, das bin ich«, erklärte er unbeholfen.
    Sie nahm den Zettel, schob ihn in ihre Tasche und sagte eilig:
    »Ich heiße Nadja, Nadja Allaoui. Sag auf Wiedersehen, Momo!«
    »Auf Wiedersehen, Monsieur le Policier.«
    »Auf Wiedersehen, Momo. Versuch, dich an das Gesicht des Wolfs zu erinnern, und wenn du dich daran erinnerst, komm zu mir und erzähl es mir, damit ich ihn jagen und finden kann, einverstanden?«
    Momo nickte zerstreut. Maurice folgte ihnen mit den Augen, als sie sich entfernten. Sein Blick glitt über den Lieferwagen, ohne ihn zu bemerken. Graublaue, schmutzige Lieferwagen gab es überall.
    Sobald sich Marcel abgewandt hatte, ließ der kleine Mann den Motor an. Seine Gedanken überstürzten sich. Wenn ihn das Kind erkannt hatte, war er verloren. Und wenn es ihn nicht erkannt hatte, würde das bald geschehen, irgendwann, allein schon, wenn er an der Autowerkstatt vorbeikäme. Der Junge musste verschwinden. Und zwar so schnell wie möglich.

KAPITEL 6
    Jean-Jean schluckte den letzten Bissen seines Krabben-AnanasMozzarella-Sandwiches hinunter und wischte sich die Finger an einem Kleenextuch ab, das sie als Papierserviette bezeichneten. Ramirez kam mit der Miene eines traurigen Nilpferds herein. Er verströmte einen Geruch nach Knoblauch und Piment, der JeanJean daran erinnerte, dass er sich aus reiner Gutherzigkeit für den alljährlichen Hammelspießbraten der Feuerwehr eingeschrieben hatte. Ramirez hüstelte. Jean-Jean sah ihn geduldig an.
    »Also, Chef .«
    »Also was?«
    »Also der Kerl da, der Martin aus dem Tierheim .«
    »Lass dir Zeit, wir haben es nicht eilig .«
    »Na ja, also, er wohnt am Boulevard des Espaliers, ein hübsches Haus, sehr sauber und alles, aber es liegt absolut nicht in der Nähe des Platzes, na ja, also .«
    »Also was?!«, fauchte Jean-Jean, fasste sich dann wieder und fügte mit einem leicht verkniffenen Lächeln hinzu: »Ja bitte, du sagtest?«
    »Ich habe mir gedacht, wenn ich, Ramirez, ihn vernehme, wird er nicht gerade gesprächig sein, zwangsläufig, da ich ein Polizist bin, also ja, wissen Sie, Chef, ich habe eine Cousine, die in der Rue Massena arbeitet …«
    »Die Nutte?«
    »Ja, Josianne, na ja, also, ich habe sie zum Tierheim geschickt, sie sollte so tun, als hätte sie ihren Hund verloren, einen Pudel. Also, sie ist hingegangen, sehr korrekt gekleidet, verstehen Sie, vornehm und alles, blablabla, und dann hat er sie zum Essen eingeladen, also .«
    »Das ist ja aufregend. Werden sie heiraten?«,

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