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Der Puppendoktor

Der Puppendoktor

Titel: Der Puppendoktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Aubert
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hörte sie klopfen und rufen. Die Retter gruben weiter und brüllten, sie solle durchhalten.
    Von plötzlichen Krämpfen geschüttelt, warf der kleine Mann den Kopf zurück, verdrehte die Augen und begann zu stöhnen, die Zähne fest zusammengebissen. Dann entspannte sich sein Körper, und er schleuderte die Bierdose gegen den Fernseher. Das Bier bespritzte die blonde Journalistin mit der nagelneuen Dauerwelle, rann über den Bildschirm wie schäumende Tränen. Der kleine Mann vergrub das Gesicht in den Kissen und begann sich jammernd hin und her zu wiegen.
    In diesem Augenblick klingelte es. Er sprang mit einem Satz auf die Füße, trocknete sich die Augen, fuhr sich mit den Fingern durchs Haar, warf einen prüfenden Blick in den Spiegel. Alles war in Ordnung, außer der Flüssigkeit auf dem freundlichen Gesicht der Journalistin. Er wischte schnell mit dem Lappen über die Mattscheibe. Jetzt war's noch schlimmer, wie eine schmutzige Windschutzscheibe an einem Regentag. Erneutes Klingeln. Verdammt, wie spät war es? Wer konnte das sein? Die Bullen? Tief durchatmen. Sich unter Kontrolle haben. Nicht seine Rolle vergessen. Er öffnete die Tür, zu allem bereit.
    Vor ihm stand Marcel, ein albernes Lächeln im Gesicht. Der kleine Mann konnte seine Erleichterung nicht verbergen.
    »Ach, du bist es!«
    »Ja, ich bin gerade im Viertel auf Streife. Erwartest du jemanden? Störe ich?«
    »Nein, nein, ich hatte schon befürchtet, es könnte jemand Lästiges sein. Komm rein, ich habe gerade eine Dose Bier aufgemacht, die hat alles voll gespritzt, ich war eben dabei, sauber zu machen .«
    »Ich wollte dich mal was fragen . ist mir etwas peinlich, aber .«
    So, jetzt schnell ein Machospruch …
    »Was willst du? Die Adresse eines Stundenhotels? Das Horoskop der nächsten Woche? Los, zier dich nicht .«
    »Ha, ha, ha! Nein, ich wollte nur fragen, ob du mir für Sonntag deinen Lieferwagen leihen könntest.« »Ist deiner kaputt?«
    »Ähm, nein, aber Madeleine will ihre Schwester in Fayence besuchen, und weil ich gerne ein bisschen spazieren fahren würde, ein bisschen durchlüften .«
    »Genau, ich seh schon. Eine Spritztour ganz allein, eine Lustpartie in der freien Natur .«
    Er betonte die Silben »Spritz« und »Lust« und leckte sich dabei über die Lippen.
    »Eigentlich hatte ich vor, eine Freundin mitzunehmen«, erwiderte Marcel und setzte eine lammfromme Miene auf.
    »Aus dem Kindergarten, nehme ich an. Sag mal, hast du sie noch alle? Kannst du nicht warten, bis du geschieden bist, bevor du die arme Madeleine betrügst?«
    Marcel wurde rot und fummelte an seiner Mütze herum.
    »Ich wusste gar nicht, dass du so scharf auf Couscous bist …«, fügte der kleine Mann hinzu.
    Marcel gab keine Antwort, der kleine Mann aber registrierte, dass sich Marcels Faust leicht ballte.
    »Na ja, war nur so dahingesagt, klar kann ich dir den Wagen leihen. Pass trotzdem auf.«
    Er kratzte sich an der Brust, zwischen den Beinen, tat müde und gähnte. Marcel dankte ihm kurz, setzte seine Dienstmütze wieder auf und ging. Zum Glück konnte man auf seine Freunde zählen, sagte er sich. Auch wenn er bestimmte Bemerkungen nicht sehr schätzte.
    Kaum war die Tür zugefallen, reckte der kleine Mann, die Augen voller Hass, den Mittelfinger zu einer obszönen Geste.
    Er wurde lästig, dieser Marcel. Was glaubte der eigentlich? Dass er das Glück gepachtet hatte? Dass er das Recht hatte, gegen die Regeln zu verstoßen und damit durchzukommen? Ach, übrigens, der Kopf eines kleinen Frankreich-Algeriers auf dem Körper eines Bullen, das wär doch mal was!
    Der kleine Mann ging zur Gefriertruhe, öffnete sie, nahm etwas heraus, das in Alufolie eingepackt war, wickelte es aus und fing an, kräftig zu kauen.
    Er nagte die kleinen Knochen sauber ab und warf sie dann in den Mülleimer. Rülpste zufrieden. Was ähnelt mehr einem Hühnerknochen als der Knochen des kleinen Fingers!
    Marcels Füße glühten in seinen Schuhen. Er hatte den Eindruck, sie seien zu doppelter Größe angeschwollen. Er wackelte mit den Zehen. Wenn er nur die Schuhe ausziehen und seine Füße ins Brunnenbecken halten könnte! Diese Schweine, die in Sandalen herumstolzierten … Na ja, Sonntag würde alles besser: Er würde Nadja und Momo auf eine Spazierfahrt mitnehmen. Wenn sie wollte. Er hatte sie noch nicht gefragt.
    Diese Woche, totale Flaute, keine Morde. Als hätte der Irre selbst Urlaub genommen oder er brütete gerade einen besonders widerlichen Coup aus. Marcel war kein

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