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Der Puppendoktor

Der Puppendoktor

Titel: Der Puppendoktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Aubert
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anzusehen. Die drückte sofort ihre Zigarette aus und stand auf. Er ging an der Hafenmole entlang, sie folgte ihm leise schimpfend. Ihr roter Minirock spannte sich bei jedem Schritt. Das ist mein Tag heute, dachte der kleine Mann höhnisch.
    Hinter dem Hafen, am Ende der Mole, gab es einen Parkplatz. Einen großen Parkplatz. Fast leer. Er wurde tagsüber von Strandbesuchern benutzt. Nachts war es ein Treffpunkt für Schwule, Paare, die Paare suchten, oder Freunde von Ausgefallenem . Niemand kam, um nachzusehen, was im Schutz der Palmen getrieben wurde. Am Ende des Parkplatzes und der Mole war ein Leuchtturm. Kurze Lichtlöcher wurden auf das ruhige Wasser geworfen.
    Die Blondine hörte ihre eigenen Absätze auf dem Zement klappern. Wollte er mit ihr angeln gehen, oder was? Auf jeden Fall würde sie nach dem Wicht da nach Hause gehen, Schluss für heute Nacht. Morgen würde Lola ihr den Kleinen bringen, sie würden ins Kino gehen. Sie hatte ihm Rollerblades gekauft. Tausend Franc. Die drei Blow-Jobs von gestern Abend.
    Er blieb stehen, um auf sie zu warten. In Gedanken verloren rempelte sie ihn an. Pech für sie.
    Tatsächlich brauchte er nur leicht den Arm zu heben, um ihr sein Messer in den Bauch zu stoßen, gut zehn Zentimeter tief. Mit dem anderen Arm zog er sie an sich. Aus der Ferne würde man meinen - zwei Verliebte, die sich umschlangen.
    Die Blondine musterte ihn überrascht. Sie riss den Mund auf, um zu schreien, doch es war ein Blutstrahl, der aus ihren Lippen hervorschoss und seine gierig geöffneten Lippen bespritzte. Der kleine Mann drehte die Klinge in ihrem weichen Bauch, zog sie dann bis zum Brustbein hoch und zerfetzte alles, was ihr in den Weg kam.
    Die hellen Augen der Blondine fixierten ihn zornig und verzweifelt, ihre Lider flatterten heftig, das Blut quoll stoßweise und sprudelnd aus ihrem geöffneten Mund. Er tauchte den Blick in den ihren und sah sie sterben, an ihn gelehnt.
    Es war das erste Mal, dass er tötete und dem Opfer, das voll bei Bewusstsein war, dabei in die Augen sah. Eine neue Erfahrung, eine Offenbarung. Er sah die ursprünglichsten Gefühle - Entsetzen, Schmerz, Hass, Ungläubigkeit - in diesen Pupillen, die auf sein Gesicht gerichtet waren, aufeinander folgen. Dann, plötzlich, erstarrte die Iris. Er hätte Lust gehabt zu rufen: »Hallo, ist da wer?«, aber er wusste, dass niemand mehr da war. Einfach fantastisch.
    Die weich gewordene Blondine sackte kraftlos, aufgefangen von den muskulösen Armen des kleinen Mannes, in sich zusammen. Er umschlang ihre Taille und zog sie bis zu den Felsen der Mole, Steinblöcke, kunterbunt ins Meer geworfen. Dort legte er sie, vor den Blicken vorbeikommender Passanten geschützt, in eine Mulde.
    Zwei junge Typen kamen herbeigeschlendert, ohne ihn zu bemerken, sie steuerten lachend auf den Parkplatz zu und hielten einander an der Hand. Der Jüngere, ein großer Krauskopf, blieb stehen, um sich zu erleichtern, direkt oberhalb des kleinen Mannes und der Blondine, die zwischen den Felsen versteckt waren. Der Urinstrahl floss den Stein hinab und verlor sich im Haar der Blondine. Die beiden Typen entfernten sich. Der kleine Mann schob die Frau in eine Vertiefung, dann wusch er sich im Meer.
    Das Wasser war lau wie Samt, wie eine Liebkosung. Wollüstig tauchte sein nackter Körper hinein. Eine Möwe glitt über seinen Kopf hinweg, schimmernd unter den Sternen. Er liebte Möwen. Er winkte ihr nach. Mit seiner Mutter war er sonntags oft die Möwen anschauen gegangen und hatte ihnen trockenes Brot zugeworfen.
    Er spülte die Klinge ab, die im schwarzen Wasser glitzerte.
    Seine Mutter hieß Jacinthe. Sanft wie eine Blume. Blond wie der Weizen. Sie lachte immer. Er erinnerte sich an ihr helles Lachen, ein kehliges Lachen, das im Wohnzimmer widerhallte, vermischt mit dem dröhnenden Lachen von Pierrot, ihrem nächsten Nachbarn. Ein richtiger Kleiderschrank, der Pierrot, mindestens zwei Meter groß und einen Meter breit. Es hatte ihm nicht gefallen, dass Pierrot sein neuer Papa werden sollte. Er mochte die Papas nicht. Er liebte nur seine Maman.
    Stimmenlärm hinter ihm riss ihn aus seinen Erinnerungen. Er kam aus dem Wasser, trocknete sich notdürftig mit seinem zusammengerollten Slip ab, zog sich an und schlich geduckt zum Parkplatz. Fehlalarm, es waren nur Halbwüchsige auf ihren Mofas.
    Der kleine Mann sah auf die Uhr. Zeit, sich zu seinem zweiten Rendezvous zu begeben. Er ging zum Lieferwagen, den er wohlweislich auf dem Parkplatz abgestellt hatte,

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