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Der Puppendoktor

Der Puppendoktor

Titel: Der Puppendoktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Aubert
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Spülbecken, drehte den Wasserhahn auf und wusch sein Werkzeug sorgfältig ab. Mit dem großen Schwamm entfernte er die Spritzer an den Wänden. Dann zog er sein verschmutztes T-Shirt aus, übergoss es mit Terpentin und zündete es an. Während es in dem weißen Spülbecken verbrannte, sammelte er die Abfälle ein, die er nach und nach sorgfältig auf das Ablaufbrett gelegt hatte, und warf sie in einen großen Müllsack, den er zum Lieferwagen trug, nachdem er sich vorher genau umgesehen hatte. Alles war ruhig. Ein leichter Wind wehte.
    Er kam zurück und blieb vor seinem auf dem Tisch ausgestreckten Werk stehen. Großartig! Da stimmte alles: Ästhetik, Sinn, Kreativität, und ein Hauch Verfremdung. Zufrieden schnalzte er mit der Zunge und genehmigte sich eine weitere Dose Bier. Dann schlug er die undurchsichtige Plastikplane über dem Körper zusammen, band sie mit zwei vorbereiteten Gurten fest und brachte das Ganze mit einer Sackkarre zu seinem Lieferwagen. Nicht nötig, sich den Rücken zu verrenken.
    Auf einer Bank unter Palmen kauerte die alte Prostituierte und versuchte, sich ganz klein zu machen. Im Laufe der Zeit hatte sie einen sechsten Sinn für Irre entwickelt, und dieser hier war ein Paradebeispiel! Irgendwann drehte sich der kleine Mann in ihre Richtung um, und seine Augen suchten die Dunkelheit ab. Schweißgebadet vergaß sie für einen Moment die ständige Kälte, die sie seit Jahren quälte.
    Der kleine Mann legte den ersten Gang ein und verschwand. Zunächst nahm er den Weg zur wilden Müllkippe in den Hügeln. Er öffnete während des Fahrens die Beifahrertür und warf den mit »Abfällen« gefüllten Müllsack hinaus. Der Sack rollte langsam durch das gelbe Gras, ehe er an einem alten, zerfetzten Sessel liegen blieb. Ein Festessen für die Ratten.
    Zweiter Halt: Jeanneaux' Wohnung. Mit Hilfe der Zulassung, die dieser Idiot hinter der Sonnenblende aufbewahrte, war es nicht schwierig gewesen, seine Adresse herauszufinden. Vornehmes Wohnviertel, schickes Haus, modern, mit breiten Baikonen, Grünpflanzen, goldenen Klingelknöpfen und einer marmorgefliesten Eingangshalle, die einem Lust machte, auf den Boden zu spucken. Der kleine Mann zog die Schirmmütze tief ins Gesicht, rückte seine Sonnenbrille zurecht, öffnete die Hecktür und lud seine Last aus.
    Die Straße war menschenleer.
    Ab jetzt war alles eine Frage des Glücks. Er schob die Sackkarre zu der verglasten Eingangstür und suchte den Namen. Jeanneaux. Ah, da! Er klingelte zweimal kurz. Aus der Sprechanlage ertönte eine Stimme:
    »Ja?«
    Der kleine Mann holte tief Luft.
    »Chef, ich bin es, Ramirez. Chef, ich muss Sie unbedingt sprechen, es ist dringend.«
    »Kann das nicht bis morgen warten?«
    »Es ist wegen des Irren, Chef, ich habe Neuigkeiten.«
    »Gut, komm rauf!«
    Ein langer, aufgebrachter Seufzer mischte sich in das Surren des Türöffners. Ganz einfach, die Stimme dieses Fettklotzes Ramirez zu imitieren. Man brauchte nur seinen Akzent nachzuahmen. Der kleine Mann durchquerte eilig die Halle und schleifte seine Last hinter sich her. Glücklicherweise war der Aufzug bereits da. Die metallenen Türen öffneten sich geräuschlos. Er zerrte den Sack in die Kabine, schnallte die Gurte auf, zog die Plane mit einem Ruck weg und lehnte sein Werk sorgfältig gegen die Rückwand. Das Licht in der Kabine erlosch.
    Von oben fragte eine gedämpfte Stimme:
    »Wo bleibst du denn?«
    »Der Aufzug funktioniert nicht, Chef!«, antwortete der kleine Mann und schlich aus der Kabine.
    »Dann komm eben zu Fuß rauf, dritter Stock!«
    Der kleine Mann bewegte sich rückwärts zum Ausgang. Er hörte Jeanneaux noch brummen: »Funktioniert nicht, funktioniert nicht, das würde mich wundern …«, und auf den Knopf drücken.
    Gehorsam setzte sich der Aufzug in Bewegung und entschwebte anmutig in Richtung Jean-Jean.
    Plötzlich hörte der kleine Mann vor dem Haus eine Autotür zuschlagen. Er versteckte sich schnell in der dunklen Kammer mit dem Müllschlucker und ließ die Tür angelehnt.
    Dann geschahen mehrere Dinge gleichzeitig:
    Die Sprechanlage surrte, gefolgt vom Klicken der sich öffnenden Tür.
    Marcel trat ein, eilte zum Aufzug und rannte, als er feststellte, dass dieser besetzt war, die Treppe - zwei Stufen auf einmal nehmend - hinauf.
    Die Aufzugtüren öffneten sich in Jean-Jeans Stockwerk.
    Da sich dieser in seinem lachsfarbenen Morgenmantel über das Geländer beugte, um zu sehen, wo Ramirez blieb, entdeckte er den Inhalt des Aufzugs nicht

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