Der Puppendoktor
Schwachkopf gestikulierte wild, raufte sich die Haare. Der kleine Mann bog schnell nach rechts ab. In der Ferne hörte er eine Sirene.
Als er vor seinem Haus angekommen war, stellte er den Motor ab. Sie würden einen blauen Lieferwagen suchen. Es gab unzählige blaue Lieferwagen. Aber sie würden unweigerlich zu ihm vordringen, langsam wie besessene Würmer - die sie ja auch waren -, die sich durch das faulige Fleisch der »Wahrheit« fressen.
Marcel Blanc, Jeanneaux, die Ärzte, alle würden sie mit ihren Stirnlampen bis auf den Grund seiner Seele blicken wollen, um ihre Würze herauszureißen und sie zu verschlingen.
Er dachte wieder an seine Lieferung, an die Gesichter von Jeanneaux und Marcel. Wenn er sie nur hätte fotografieren, hätte filmen können, um auf dem Videorecorder noch einmal ihren überraschten, entsetzten und verzweifelten Ausdruck zu sehen … Mord hatte seine Schattenseiten: Man musste das Inkognito wahren.
Etwas weiter auf dem dunklen Bürgersteig zeichnete sich ein heller Fleck ab - ein Körper in weißem Hemd und weißen Shorts, der in der Dunkelheit leuchtete wie ein auf die Erde gefallener Klacks Mondgelee. Er sah ihn nicht einmal. Ein Accessoire. Eine Leiche.
Die Gedanken des kleinen Mannes waren verwirrt. Alles war von Wut überflutet. Seine Finger verwandelten sich in scharfe Rasiermesser und verkrampften sich auf seinen Knien. Er musste sich zwingen, aus dem Lieferwagen auszusteigen und nach Hause zu gehen. Plötzlich kam ihm eine Idee, und er kehrte um.
KAPITEL 14
Marcel legte die dicke Akte auf Jean-Jeans Schreibtisch zurück und trank einen Schluck lauwarmen Kaffee. Madeleine war tot, er trank Kaffee und fand, dass er nicht süß genug war. Das Leben war schon zynisch.
Er richtete den Zeigefinger auf Jeanneaux.
»Der Mörder kennt Sie.«
»Das ist auch meine Meinung«, stimmte dieser zu.
»Er weiß, was wir tun«, fuhr Marcel fort. »Er macht sich über uns lustig, er provoziert uns. Warum? Er weiß genug über Sie, um Ihren Wagen, Ihre Telefonnummer, Ihre Adresse zu kennen .«
»Genau. Und was folgern wir daraus?«
»Ich versuche zu verstehen. Wenn wir der Spur Labore/Lieferwagen folgen, stoßen wir auf zwei Männer, die als Mörder nicht in Frage kommen.«
»Der Kleine von Ihrer Freundin hat Sie vielleicht in die Irre geführt .«
»Vielleicht. Mein Gott, habe ich Kopfschmerzen.«
»Wollen Sie eine Tablette? In Melanies Schreibtischschublade müsste Aspirin sein.«
»Was soll ich bloß den Kindern sagen?«, murmelte Marcel, während er gedankenverloren die im Kaffeerest aufgelöste Aspirintablette schluckte.
Jean-Jean tat so, als hätte er nichts gehört. Er hatte keine Lust, einen trauernden Witwer zu trösten. Verzweiflungsausbrüche waren ihm immer schon zuwider gewesen.
Das Telefon klingelte und befreite ihn vorübergehend vom Kummer des armen Blanc.
»Hallo? . Wann denn? . Warte!« Er riss ein Blatt von seinem Notizblock ab. »So, noch mal … okay!«
Er legte auf.
»Eine alte Frau ist von einem blauen Renault Express überfahren worden. Der Mann, der uns verständigt hat, behauptet, der Wagen wäre absichtlich und geradewegs auf die Alte zugesteuert. Wir müssen hinfahren.«
Er schnallte seine Pistolentasche um und schlüpfte in eine leichte Windjacke. Marcel folgte ihm. An einem anderen Abend wäre er außer sich vor Freude gewesen, bei einer Ermittlung dabei zu sein. Jetzt kam ihm das ganz normal vor. Er dachte an Nadja, die nicht wusste, dass Madeleine .
Sie waren schnell vor Ort. Eine alte Frau lag auf der Straße, ihr Schädel war zertrümmert. Ein Hüne mit einem dümmlichen Gesichtsausdruck entschuldigte sich immer wieder:
»Wenn ich das geahnt hätte, hätte ich sie nicht rausgeworfen, mein Gott, wenn ich das geahnt hätte .«
Jean-Jean klopfte ihm auf die Schulter:
»Capitaine Jeanneaux. Können Sie mir sagen, was passiert ist?«
Marcel ging zu der Leiche. Die zweite - oder besser gesagt, die dritte? - an diesem Tag . Aber die Kriminaltechniker, die die Wagenspuren aufnahmen, baten ihn, zur Seite zu treten. Er konnte nur einen kurzen Blick auf ein weißes Laken werfen, das über eine eigenartig eckige Gestalt geworfen war, und ging zu Jeanneaux zurück.
»Die Sache ist mir ein Rätsel«, meinte dieser. »Die Alte hat versucht, im Treppenhaus zu schlafen. Der Concierge hat sie rausgeworfen, sie haben sich fast geprügelt, und plötzlich ist ein Lieferwagen auf sie zugefahren und hat sie überfahren. Sie war sofort tot! Das sagen alle
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